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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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österreichische Staat schützte seine jüdischen Bürger nicht mehr. Der Rassenwahn eskalierte. Die Ausgrenzung nahm zu. Die Ausgehzeit für Juden wurde eingeschränkt. Kurz nach Kriegsbeginn fand eine große Ver
haftungsaktion statt, die sich gegen Juden polnischer und ehemals polnischer Staatsangehörigkeit richtete. Der »Polenfeldzug« wurde in der Presse gefeiert, »ewig denkwürdig als eine der bedeutendsten Kriegshandlungen aller Zeiten, als die vollkommenste Verwirklichung des Gedankens der Vernichtung, deren die Welt jemals Zeuge wurde«.
    Pogromstimmung. Baldur von Schirach machte in Wien tabula rasa und bereitete den »Zusammenbruch der Mitmenschlichkeit« (Helmut Walser Smith) vor. In der Wiener Presse zirkulierte ein anonymer Artikel: »Bis zum Jahre 1942 muß das jüdische Element in Wien ausgemerzt und zum Verschwinden gebracht sein. Kein Geschäft, kein Betrieb darf zu diesem Zeitpunkt mehr jüdisch geführt sein, kein Jude darf irgendwo noch Gelegenheit zum Verdienen haben.«
    Mit gemischten Gefühlen muß Ferdinand gesehen haben, wie Juden mit dem gelben Stern durch die Straßen schlichen.
    Im Frühjahr 1935 veröffentlichte Ferdinand Bronner in der BZ am Mittag ein Demento, in dem er energisch bestritt, sich jemals als »Juden« bezeichnet zu haben. Dokumentarische Unterlagen würden beweisen, daß sein Vater, ein Findelkind, in Dominikowice in Westgalizien geboren wurde und keinesfalls jüdischer Abstammung gewesen sei.
    Froim Fischel
    Eliezer Bronner
    Elieser Feiwel
    Eliezer Feivel Bronner
    Ferdinand Bronner
    Dr. Ferdinand Bronner nach der Taufe und Promotion
    Franz Adamus, wie er sich als Schriftsteller taufte
    Ferdinand Wilhelm Israel Bronner 1941:
    Ein Stück unserer Geschichte.
    In den Wiener Zeitungen wurde der Fall hämisch diskutiert, und Ferdinand umgehend Ziel antisemitischer Angriffe. In der Wiener Sonntags- und Montagszeitung erschien am 6. Mai 1935 unter der Schlagzeile »Arnolt Bronnen macht Karriere« ein umfangreicher Artikel über Vater und Sohn, Bronner und Bronnen. Abgedruckt wurde ein Auszug aus Ferdinands Komödie Schmelz der Nibelunge mit dem Hinweis, daß hier »mehr als jede Schilderung die Gefühle zwischen Vater und Sohn« zum Ausdruck kämen. Veröffentlicht wurde unter anderem die Bescheinigung des Magistrats Wien von 1886, in der Ferdinands Austritt aus dem mosaischen Glauben festgehalten ist: »Ferdinand Bronner, der Vater des hoffnungsvollen Arnolt, war eine der angesehensten Persönlichkeiten des früheren literarischen Wien.« Warum die Redaktion, angeblich »weit davon entfernt, Menschen nach ihrer Rasse zu beurteilen«, bei Arnolt Bronnen eine Ausnahme macht, wird damit begründet: »Weil es uns wundert, daß ein solcher Mann es im Dritten Reich so weit bringen« könne.
    Vor fünfundzwanzig Jahren geschrieben, habe Ferdinand in seinem Stück Schmelz, der Nibelunge die Wandlung eines jüdischen Sohnes in einen deutschnationalen Studenten vorweggenommen. Zum Beweis dafür wurde die erste Szene des III . Aktes abgedruckt, jene Szene, in der sich der Sohn eines jüdischen Vaters des Namens »Schmelz« schämt, sich in Franz Wilhelm verwandelt und den Couleurnamen Hamlet zulegt: »Hamlet, Franz Wilhelm oder Wilhelm Schmelz – man könnte auch sagen Arnold Bronner – führt das große Wort«, leitet Willi Frischauer den Artikel ein.
    Ebendieser Willi Frischauer, Romanautor und wendiger Mitarbeiter der Wiener Sonntags- und Montagszeitung , stand eines Tages unerwartet vor der Wohnungstür der Bronners in Döbling, um ein Interview zu führen. Ferdinand bat ihn hinein.
    In genüßlichem Unterton berichtete Frischauer von diesem Besuch – endlich war nicht nur Indiskretion, sondern auch Anprangern gesellschaftsfähig –, bei Juden erübrigte sich jede Rücksichtnahme.
    Ferdinand entschuldigte sich höflich, weil er gerade mitten im Unterricht sei, und rief Martha. Er war nach dem Krieg pensioniert worden und besserte seine schmale Pension mit Nachhilfestunden auf.
    Daß Ferdinand gerade einen Schüler in der Wohnung hatte, dürfte ein Glücksfall für ihn gewesen sein. Hätte er die Beherrschung verloren, wäre das für Frischauers Artikel eine delikate Bereicherung gewesen. So aber erhielt er auf seine Suada, der Verfasser des Stücks Schmelz, der Nibelunge wisse mehr als jeder

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