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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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unverschämte Weise ist sie sich ihrer Sache sicher. Woher rührt diese erstaunliche Souveränität? Welches Geheimnis hält sie in sich verschlossen?
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    * Sämtliche in Anführungszeichen gesetzte Zitate aus dem genannten Artikel.

34. Der Prozeß
    Arnolt Bronnen »litt um Deutschland«, bis er sich der Meinung der Partei anschloß und fand, es sei keine Zeit für persönliche Empfindlichkeiten. Er überlegte, ob er das Verfahren gegen Ferdinand weiterlaufen lassen sollte.
    Im Protokoll liest sich das so:
    Â»An einem Morgen klingelte das Telephon: ›Hier Oberregierungsrat Dr. Schröder, Büro des Reichsmarschalls. Sie sind in Not-Lage? Die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft hat sie wegen politischer Unzuverlässigkeit gekündigt? Was liegt vor gegen Sie?‹
    Ich: ›Ausschluß aus der Reichs-Kultur-Kammer.‹
    Dr. Schröder: ›Aha. Arier-Nachweis?‹
    Ich: ›Ich glaube, ja.‹
    Dr. Schröder: ›Haben Sie mit dem Reichs-Sippen-Amt gesprochen?‹
    Ich: ›Nein. Ich möchte das nicht. Ich weiß nicht, ob ich da irgend etwas tun soll, tun darf. Der Fall ist zu diffizil.‹
    Dr. Schröder: ›Alle diese Fälle sind diffizil. Es geht nicht darum, was Sie möchten, sondern was wir möchten. Das ist keine Situation für persönliche Empfindlichkeiten. Verstehen Sie mich?‹
    Ich: ›Jawohl.‹
    Dr. Schröder: ›Also. Es ist zu veranlassen, daß der Generalstaatsanwalt Klage gegen Sie erhebt, um Sie als unehelich zu erklären. Gleichzeitig begeben Sie sich zu Herrn Johannsen, Reichs-Innenministerium. Er wird mit Ihnen zum Präsidenten des Reichs-Sippen-Amtes, Herrn Dr. Mayer, gehen. Wenn etwas nicht klappen sollte, informieren Sie mich. Heil Hitler!‹«
    Ich könnte von Ahnungen sprechen, von Gerüchten, den Andeutungen meiner Großmutter mütterlicherseits, Else von Lossow, die in München gute Informanten im Braunen Haus hatte. Möglicherweise hatte sie in München nicht nur Informanten, sondern auch Helfershelfer in der Hinterhand. Wenn auch manchmal die Betroffenen mit den Staatsbeamten in Verbindung traten – die Sache scheint zumindest ungewöhnlich, angesichts der Radikalität, mit der die »Endlösung der Judenfrage« von deutschen Instanzen betrieben wurde. Über die Anwendung der Nürnberger Gesetze auf Personen, deren Abstammung unklar oder strittig war, sowie über das Problem der sogenannten »Mischlinge« entschieden keineswegs nur Hitler und seine Kanzlei – wichtige Exekutive war das seit 1940 bestehende »Reichssippenamt« mit der Gestapo.
    Die Entscheidung zur Abstammung war Sache des Staates, der »Gnadenweg« so gut wie blockiert. Die Volksgemeinschaft mußte schließlich dafür sorgen, daß Kinder, »die unzweifelhaft deutscher Abstammung sind«, ihr nicht verlorengingen.
    Wer aber sollte veranlaßt haben, daß man sich unter den vielen in den Medien Beschäftigten, die jüdische Väter und Verwandte hatten, ausgerechnet um das schwarze Schaf Bronnen sorgte? Bei Goebbels war er in Ungnade gefallen. Die Vollblutnazis, die mit Abstammungsfragen befaßt waren, gingen in der Regel grobschlächtig und brutal vor, keinesfalls rücksichtsvoll, gar vorsorglich.
    Es sei denn, Bronnen hatte etwas in der Hinterhand, wovon wir nichts erfahren. Vielleicht gab es irgendwo den großen Unbekannten. Sollte es der besorgte Schröder gewesen sein? Warum schweigt ihr Vater? Warum weiß sie nichts?
    Arnolt Bronnen schrieb an seinem Protokoll ab 1948, un
ter den Bedingungen eines neu entstehenden demokratischen Staatswesens; das Buch erschien 1954. Er schrieb seine Lebenserinnerungen als Rechtfertigung für seine politischen Irrwege und nicht zuletzt zur Verteidigung seines »Vatermords« durch den Vaterschaftsprozeß. Die politischen Abirrungen teilte er mit vielen, doch mit dem Vaterschaftsprozeß ging er zu weit, was eine vernichtende Beurteilung der Öffentlichkeit zur Folge hatte. Um dem die Spitze zu nehmen, führte er den Haß auf seinen Vater auf ein Kindheitserlebnis zurück: Den gewalttätigen Vater, der ihn schlug, als er seine Mutter vor ihm in Schutz nahm.
    Versuchte er, nachträglich seine Tat einsehbar zu machen? Ein geschickter Autor bereitet seine Tat vor, und je tiefer sie in der Hauptperson seines Werkes verankert ist, desto

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