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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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Wiederholt nahm Bronnen Goebbels in seinem Wagen von Wilmersdorf mit, wo der Judenhetzer noch als möblierter Untermieter wohnte, und fuhr ihn auf dem Weg zum Funkhaus zur Potsdamer Straße.
    Bronnen bescheinigt Goebbels, »ein grandioser Menschen-Kenner« zu sein, »der seine Kenntnis mit sofort griffbereiten Gebrauchs-Anweisungen verband«. In seiner Gegenwart wurde Bronnen »zu einem schwachen und subalternen Kopf«, bildete sich aber das Gegenteil ein und hielt den rowdyhaft sich gebärdenden braunen Revoluzzer »für ein wunderbares politisches Werkzeug, das nunmehr darauf wartete, in die rechte Hand zu kommen«.
    Goebbels wiederum schätzte Bronnen und seine Werke; in seinem Tagebuch notierte er, Arnolt Bronnen hätte ihm nachgewiesen, kein jüdisches Blut zu haben. »Das ist sehr erfreulich. Er ist ein ordentlicher Kerl! Ehrlich, charaktervoll, kann etwas, treu und begeisterungsfähig. Ich mag ihn.«
    Die Skandalsucht Bronnens kostete ihn die Gunst Goebbels', derer er später, nach der Machtergreifung der Nazis, so dringend bedurft hätte. Ihm war es wichtiger, sich als braven deutschen Muttersohn darzustellen.
    Von diesem Hintergrund freilich ahnten Ferdinand und Martha nichts. Die Hochzeit in dem chaotischen, verrückten, neurotisch überspannten Berlin jener Zeit und die Flucht Olgas kann kaum Freude bei ihnen ausgelöst haben, eher starke Zweifel, ob es mit dieser Ehe gutgehen würde. Aus der Wiener Skandalpresse konnten sie später erfahren, daß Olga sich in Berlin den Titel »Herrin der weißen Mäuse« erworben hatte, indem sie bei der Premiere der Bühnenfassung von Remarques Im Westen nichts Neues weiße Mäuse im Nollendorf-Theater losgelassen und damit im Publikum eine Panik ausgelöst hatte. In der Zeitung hieß es, Bronnen hätte die Tobsüchtige einmal sogar aus einem Käfig der Polizei herausholen müssen, dort habe sie wie eine Tigerin getobt und gefaucht.
    Das Verhältnis zwischen Olga und Arnolt blieb, so Bronnen im Protokoll, nach der Hochzeit »mit Hochspannung geladen«, das »trieb meine Mutter bald wieder nach Wien zurück. Ich hatte sie noch wegen der schwebenden Klage interpelliert. Sie war, wie immer, äußerlich gleichmütig und überlegen: ›Klag, wenn es sein muß, klag nicht, wenn es nicht sein muß.‹ Ich hatte nun wahrlich für den Augen-Blick Sorgen genug.«
    Arnolt Bronnen fand mit einemmal, daß der Prozeß zu vernachlässigen war. »Die Behauptung, Sie wären ein junger Jude, enthielt, was Ihnen wohl bewußt war, nichts Unehrenhaftes. Auf was hin wollten Sie eigentlich klagen?« fragt der Richter im Protokoll . Er stornierte am 1. Januar 1931 die fälligen weiteren Zahlungen an den Rechtsanwalt. Worauf die Klage, »ohne direkt zurückgezogen worden zu sein, auf irgendein Nebengeleise geriet und dort allmählich verschimmelte«.
    Befremdlich findet sie das. Sollte sich seine von Jugend an gehegte Abneigung gegen das Judentum verflüchtigt ha
ben, sich gar in Gleichgültigkeit verwandelt haben? Oder reagiert er tatsächlich »wie Lackmuspapier in den Strömen der Zeit«, wie Axel Eggebrecht es nannte?
    Einem Menschen, dem feste Kriterien zur ›Rassenkunde‹ fehlen mußten, da es sie nicht gab, kam die Zeit der 20er und 30er Jahre zupaß, in der es große Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbestimmung gab. Die Begriffe »Deutscher« und »Jude« sind keineswegs klar zu definieren. Auch das Verhalten der Umwelt war demnach schwankend. Gilt doch in einer antisemitischen Umwelt nicht nur der als Jude, der wirklich einer ist, sondern auch der, den die anderen für einen halten.
    War der Blick der anderen für ihn kein Problem mehr oder sah er sich selbst mit anderen Augen, weil er Karriere machte?
    Die Sache mit dem Ariernachweis, für den er einen Prozeß führen wollte, scheint sich also erledigt zu haben. Doch 1935, zwei Jahre nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, erwischt es ihn: Kündigung, 1935 wieder eingestellt, 1937 wieder gekündigt, aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, 1939 Berufsverbot, 1940 als politisch unzuverlässig eingestuft.
    Seine Ehe mit Olga wurde nach kurzer Zeit zu einem »nackten Macht-Kampf« ( Protokoll) , der bald den privaten Bereich verließ und in den politischen übergriff: Goebbels entdeckte die besondere Zugkraft der entfesselten Kosakin

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