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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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aller Seelenruhe ins Griensteidl, um seinen Kaffee zu trinken und wunderte sich, warum Gardisten um die Hofburg standen. Dabei wurde längst in den Vorstädten geschossen. Als er nachträglich davon erfuhr, waren die Unruhen längst vorüber.
    Was tat Ferdinand, was tat Arnolt, als die Nationalsozialisten die Bücher verbrannten? Was taten sie am 9. November 1938, als die Synagogen brannten? Was haben sie empfunden? Hat sich Ferdinand an die kleine Synagoge in Auschwitz erinnert, an seine Schwester und ihre Familie, seine jüdischen Freunde? Und Arnolt, hat er wenigstens an seinen Vater gedacht?
    Â»Konnte Sie denn das ganz gleichgültig lassen?« fragt Bronnens Richter im Protokoll . »Juden waren Ihre Verwandte, Ihre Freunde, waren Ihre Bewunderer gewesen.«
    Viele Antworten sind möglich, doch die richtige weiß sie nicht. Denn Bronnen beantwortet das nicht.
    Der Antisemitismus war salonfähig geworden, die Sanktionen nahmen zu. Jüdische Kollegen – siebenundneunzig Prozent der Lehrerschaft waren nationalsozialistisch eingestellt – traten »freiwillig« vom Lehramt zurück. Unzählige Juden emigrierten aus Österreich. Er wußte, was sich da zusammenbraute. In den Kaffeehäusern, den Gast
häusern, den Amtsstuben. Wiener Bürger protestierten in den feinen Cafés gegen die Anwesenheit jüdischer Bürger. Ganz zu schweigen von den Netzwerken, die er ganz gut kannte und für seine Zwecke nutzte, soweit es noch ging.
    So mischte er bei der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt ( NSV ) mit, vielleicht, weil er durch seine Verpflegertätigkeit im Ersten Weltkrieg beste Verbindungen zu den »Hilfsküchen« hatte. Rührig wie er war, bot sich der »Blockwart« (Bronnen im Protokoll ) für verschiedene Ämter an, und es ist anzunehmen, daß eine der Aufgaben im Nationalsozialistischen Lehrerbund oder im Reichsnährstand lag.
    Eine miese Gesellschaft. Die NSV war von Anbeginn an von rassebiologischen Selektionskriterien bestimmt.
    Warum ist er dabeigewesen? War es wieder die Angst vor dem Ausgeschlossensein, die ihn kritiklos mitmachen hieß?
    Doch Ferdinand hatte, schreibt Bronnen, »nicht mit der Denunziations-Freudigkeit seiner Volksgenossen gerechnet«. Vier Jahre später, Arnolt war gerade zu Besuch, erfuhr Ferdinand vom Brief des Gauhauptstellenleiters Mixa vom 23. Oktober 1939 an die NSV -Ortsgruppe »Gatterburg«. Mixa forderte, Ferdinands Mitgliedschaft zu löschen.
    Â»Seine Angaben, daß er Mischling I . Grades sei, sind unrichtig«, schreibt Mixa.
    Warum war Arnolt bei ihm? Hat Ferdinand ihn zu Hilfe gerufen? Hielten sie in der Gefahr zusammen?
    Ein Glück für Ferdinand, daß er als ehemaliger österreichischer »Professor« pensionierter Beamter war, noch dazu mit einer »Arierin« verheiratet. Doch die Zeiten wurden härter, und Ferdinand begriff, daß man sich nicht mehr auf das Recht berufen konnte.
    Vom Gauamt bereits als »jüdischer Autor« verzeichnet, fehlte Ferdinand der gesellschaftliche Anschluß; er saß zu Hause und fror bei 22 Grad Kälte ohne Kohlen. In Hungerzeiten bewies er wohl seine Findigkeit und wandte sich an die früheren Kollegen von der Heeresverpflegung, zweigte da und dort ein wenig Essen ab.
    Seit dem Gewaltakt der Österreichannexion 1938 wehten überall die Fahnen, Glockengeläut, stundenlang, Fackelzüge zogen durch eine Stadt mit illuminierten Fenstern.
    Arnolt, der österreichische Staatsbürger in Berlin, machte sich Sorgen um sein letztes Schlupfloch, das okkupierte Österreich, und um seine Mutter. Seine Briefe an sie rissen nicht ab: »Österreich war verloren und ich saß in der Falle«, schreibt er im Protokoll.
    Sie fragt sich immer wieder: Wer hat der Großmutter die Briefe vorgelesen?
    Arnolts Traum, in Wien zu sein, »ohne Mikrophone, ohne Parade-Märsche«, war ausgeträumt. Die österreichische Staatsbürgerschaft nützte ihm nichts mehr.
    Als es 1938 erste Meldungen über einen drohenden Krieg gab, reagierte Ferdinand wie 1914: Er verdrängte und packte die Koffer, um mit Martha ins Salzkammergut zu reisen.
    Er kehrte nach Wien zurück, um zum PEN -Kongreß nach Stockholm zu reisen, doch als sich die Meldungen über die Aufrüstungen bestätigten, verzichtete er auf die Reise. In Schweden hättte er als feindlicher Ausländer festgehalten werden können.
    Der

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