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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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Nonchalance. Ein wunderbarer Brunnen neben der Marienkirche, ein Knabe, zart und fragend, mit feiner Geste. Die Kirche mit ihren zwei Türmen eine Symphonie von Schönheit und Genauigkeit, sie hat Stil und ist trotz der polnischen Gotik voll Fröhlichkeit.
    Ich trete ein und wäre beinahe über ein Menschenbündel auf dem Marmorboden gefallen. Vorsichtig gehe ich auf die nächste Bank zu, nehme Platz und schaue mich um.
    Fenster, zusammengesetzt aus kleinen bunten Glasgemäl
den. Ein feines Ornamentgeflecht zieht sich an den Bögen nach oben. Bilder über Bilder an den Wänden. Der größte geschnitzte Hochaltar Europas, ein Veit-Stoß-Altar aus Eiche und Lindenholz, dessen geöffnete Flügel die Geschichte Mariens von der Verkündigung bis zur Himmelfahrt erzählen.
    Ein Summen und Murmeln ist in der Luft. Votivgaben neben mir am Seitenaltar, vor dem Menschen in Scharen auf Knien liegen, den Oberkörper auf den Marmorboden hingestreckt, in anbetender Gebärde, dankbar und hingegeben, erleichtert, weil man ihnen wieder erlaubt, öffentlich zu beten. Auch junge Menschen sind darunter.
    Die Tradition war durch Faschismus und Kommunismus abgerissen. Doch die Herzen der Polen konnte die Propaganda der Kommunisten nie erreichen, weil sie zu wenig Trost bot. Die Menschen lebten mit der Sehnsucht nach verlorenen Werten und schmückten trotzig ihre Ikonen.
    Haben sie vergessen, wie die Kirche mit dem Faschismus paktierte? Viele Katholiken waren Antisemiten.
    Ich trete hinaus, vom Koffer gefolgt. Von der Bläserstube im Nordturm intoniert zu jeder Stunde ein Feuerwehrmann das Krakauer Trompetensignal »Hejnał« in alle vier Himmelsrichtungen, dazu läutet er von Hand die Stundenglocke. Jede volle Stunde, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, ist er da oben im windigen Turm und blickt in die Weite, über die Stadt bis hin nach Auschwitz, zu den Beskiden und zur Tatra, sieht den Himmel, den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang, die Nebel und die Wolken und hört das Heulen der Winde.
    Mitten im Spiel bricht die Trompete ab, abrupte Stille, die an den Tartarensturm erinnern soll, als der Trompeter beim Alarmsignal von einem Pfeil tödlich getroffen wurde.
    Der Fanfarenton paßt zu Krakau und gibt die Melancholie dieser Stadt wieder. Das Mittagssignal wird täglich vom Sender Radio Kraków übertragen.
    Vor der Kirche kreuzen junge Burschen mit kostümierten Rittern die Klingen. Wenige Touristen. Ein paar Deutsche, die Autos kaufen wollen, weil sie hier um drei Tausender billiger sind. In den geräumigen Cafés flezen Jugendliche in riesigen Clubsesseln, umgeben von Rauchschwaden. Ein bißchen plüschig, ein bißchen antiquiert, aber ich finde es wunderbar. Stehcafés mit windigen Tischchen und winzigen Stühlen, die Melkschemeln gleichen, sind hier noch nicht angekommen. Man hat Platz. Diskussionsrunden, Eßrunden, Linksrunden, Künstlerrunden. Das Café schließt nachts um drei.
    Eine alte Frau mit einem aus Korb geflochtenen Kinderwagen für Zwillinge, mit Tüten gefüllt, kreuzt unseren Weg. Eingeklemmt zwischen einer Mülltonne und der Außenwand der zauberhaften Marienkirche steht frierend ein Bettler. Ich weiß nicht, ob er bettelt oder nur so dasteht, und umkreise ihn zweimal, ehe ich eine Münze aus der Tasche ziehe. In der Jugendstil-Bank, wo ich Geld wechsle, verwundert mich die mürrische Laune der Angestellten, die sich auch in der postkommunistischen Zeit hartnäckig hält.
    Rund um den Rynek sind die Bauten renoviert, blicke ich jedoch in die Nebengassen, ist vieles renovierungsbedürftig. Dennoch hat Polen mit Hilfe der EU -Länder nie so viel gebaut und renoviert wie in den letzten fünf Jahren: Immerhin konnte das Land trotz Wirtschaftskrise ein kleines Wachstum verzeichnen. Doch der große Aufschwung nach 1989 ist abgebremst, die Staatsverschuldung eine ernste Gefahr für die Wirtschaft. Hinzu kommt die wieder steigende Arbeitslosigkeit.
    In der Floriańska liegt meine Unterkunft. Schwärme von Studenten gehen auf die Universität zu. Erleichtert stelle ich fest, daß Baseballkappen hier noch nicht en vogue, Handys und Walkmen noch selten sind. Ich rolle den Koffer zu meiner Unterkunft, dem Gästehaus der Universität, einem schönen Bau mit geräumigen Zimmern und einem hübschen Innenhof.
    Später sitze ich in einem Café und betrachte die Leute, die am Café

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