Meine Väter
werden zukünftige Generationen damit umgehen?
PaweÅ erzählt vom Neubeginn der »Fünf-vor-zwölf«-Generation, wie er seine Generation nennt, vom Zusammenhalt eines Volkes. Er ist jung, nicht älter als dreiunddreiÃig Jahre, hat also kaum mehr unter dem Kommunismus gelitten, dessen Erbe allerdings noch fortwirkt.
Anfangs bin ich vorsichtig, jede Nachlässigkeit könnte Verletzungen bringen. Die Polen kommen wie die Russen aus einer abgeschlossenen Welt. Doch bald spüre ich, daà ich offen reden kann. PaweŠspricht mit Abstand und Gelassenheit.
Mit den Juden und Russen gehören die Polen zu den Völkern, die am meisten unter den Deutschen gelitten haben, doch als Folge des Potsdamer Abkommens de facto keine Entschädigung bekamen, sagt PaweÅ, und eine Aufarbeitung des polnisch-deutschen Verhältnisses fand bislang nicht wirklich statt.
Im Potsdamer Abkommen wurde festgehalten, daà sich die Polen und die Russen ihre Reparationszahlungen über die Sowjetische Besatzungszone holen. Als Entschädigung für die Kriegsschäden sollten dabei die vom Deutschen Reich abgetrennten Gebiete im heutigen Westpolen betrachtet werden. Doch der Eiserne Vorhang und der Kalte Krieg verhinderten, daà darüber weiter diskutiert wurde.
Der »Polnische Korridor«, Frühjahr 1939. Züge mit Deutschen, die die VormarschstraÃen planierten, Flugplätze
bauten. SchlieÃlich den Spaten gegen Gewehre tauschten. Im Herbst 1939 die Toten mit Kalk bedeckten, die die Felder übersäten.
Kann man mit der Errichtung von Denkmälern den Ballast der Erinnerung abgewerfen? Denkmäler als Alibi?
Das seit den Versailler Friedensverträgen â zwischen Deutschland und den Alliierten zur Beendigung des Ersten Weltkriegs 1919 geschlossen â gestörte Verhältnis zwischen Deutschland und Polen. Der Aufruhr, den Golo Manns in den fünfziger Jahren erhobene Forderung verursachte, die Bundesrepublik solle sich mit den Resultaten des Zweiten Weltkrieges abfinden und, statt ihre Macht zu zeigen, sich lieber einer europäischen, versöhnenden Politik widmen und eine Vermittlerrolle zwischen Ost und West übernehmen. Statt dessen: die Hetze des Kalten Krieges. Golo Manns verstärktes Engagement nach dem Bau der Mauer 1961. Deprimierendes Gerangel um die Polen-Verträge. SchlieÃlich der Kniefall Willy Brandts im Dezember 1970 vor dem Ghetto-Mahnmal in Warschau.
Ende des Kalten Krieges. Demokratie in Polen. Vorübergehende Beruhigung nach der Wiedervereinigung, als Deutschland die Oder-NeiÃe-Grenze anerkannte und 85 Milliarden Mark Entschädigung an den »Osten« zahlte. Die Auseinandersetzung um den Bund der Vertriebenen hat neue Beunruhigung gebracht.
Es macht ihr etwas aus, in einem Land zu leben, dessen Vertriebenenbund immer noch so tut, als sei uns unsere Vergangenheit zugestoÃen.
Die letzten Ãberlebenden des Krieges in Polen sind alt und sterben. Die emotionale Beschädigung, ein Leben lang unter dem zu leiden, was die Bevölkerung, Eltern und GroÃeltern erleiden muÃten, ist in vielen Fällen mit
materieller Not verbunden, Folgen von traurigen Verlusten und Enteignung. Die kommunistische und postkommunistische Welt war karg, und viele der Ãlteren leben in Not. Die meisten müssen eigene Wege finden, um zu überleben.
PaweÅ erzählt, daà die deutsche Gedenkstätte Auschwitz, die dringend renoviert werden müÃte, jährlich 24 Millionen ZÅoty verschlingt â der ZÅoty steht zum Euro etwa vier zu eins. Elf Millionen zahle die polnische Regierung, eine Million würde durch Parkplätze und Bücher erwirtschaftet, eine Million käme aus verschiedenen Ländern. Bis 1990 haben die restlichen Kosten in Höhe von 13 Millionen allein die Polen getragen. Erst seit 1991 beteilige sich Deutschland. Die anstehenden Renovierungsarbeiten, zunächst mit 200 Millionen ZÅoty, rund 50 Millionen Euro, angesetzt, haben sich durch das Hochwasser eminent vergröÃert. Die Bundesrepublik habe sich nach längeren Verhandlungen 2009 bereit erklärt, sechzig Millionen Euro für die Gedenkstätte zu entrichten.
Es ist unser »Kultur«-Erbe, sage ich.
PaweŠverzieht das Gesicht. Daà Polen die Hauptlast der Kosten trägt, ist Jahrzehnte später mit der Verleihung des Karlspreises an Tusk beglichen worden; seine Miene ist spöttisch. Gäbe es kein Israel, wären
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