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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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Museum, in dem eine Ausstellung über Oświęcim vor Hitler zu sehen ist, von einem einsamen österreichischen Zivildienstleistenden bewacht, der uns erfreut begrüßt und glücklich ist, uns herumzuführen.
    Meist sitze ich einsam hier herum, sagt er, im einsamsten Museum der Welt.
    Der KZ -Tourismus sei sehr zurückgegangen. Er macht das Licht an, ein sparsames Licht.
    Gepflegte Holzdielen, Gestühl aus Holz, halbrunde Fenster, leichtes Ocker an den Wänden. Das Museum strahlt Wärme aus, Bescheidenheit.
    Bilder aus Großvaters Zeiten. Familienbilder, Liebes- und Ehepaare. Frauen und Kinder an einem Brunnen. Trotzige, starke Gesichter, aufmerksamer Blick. Bilder von weisen oder verrückten, humorvollen oder ängstlichen Menschen, Friedhofsbilder voll Melancholie. Mütter mit kleinen Kindern. Was mußten sie alle später sehen? Was haben die Kleinen erlebt? Wuchsen sie kräftig genug heran, um fürs Schuften angestellt zu werden, hatten sie eine kleine Lebensfrist oder wurden sie gleich ins Gas getrieben?
    Rabbiner mit Rauschebärten unter breiten Hüten oder
wildem Backenbart und kleinen Kappen. Rabbiner Shlomo Posner mit seiner Familie, er ist ausgewandert. Fotos von Pferdewagen, Karren, alten Straßen. Kutschen sind nicht zu sehen, die Leute waren zu arm. Krüge, Vasen, Pistolen, Chanukkaleuchter, alte Gewänder hinter Glas. Briefe, Dokumente, der Stich der Schnapsfabrik: Old Polish Whisky von Jakob Haberfeld, Cuba Rum von Hennenberg. Bauernfuhren, Markt, die Brücke über die Soła. Bildnisse des Vereins der Auswanderer. Man hat alles zusammengetragen, was man fand.
    Sie öffnet den Rucksack und holt das Bild ihres Großvaters heraus.
    Unter diesen Menschen hat er gelebt. Hat sie überlebt.
    Natürlich schaut er weg. Damit sie nicht sieht, was er denkt. Die Melancholie des assimilierten Juden, der Gedanken nachhängt, die er nicht verrät.
    Einer, der nicht zu den Verfolgten gehören wollte. Der sich das Leiden verboten hat. Jedoch einer, der den Zweifel kannte.
    Das Bild ihres Großvaters findet hier keinen Platz. Dennoch fühlt sie sich ihm näher, weil sie seine Umgebung kennt, die Gestalten seiner Zeit.
    Wann endlich kann sie diese Denk-Bilder mit neuem Leben füllen?
    Ein anspruchsloses Museum, das von einem ruhigen, einfachen Leben berichtet. Wir fragen nach. Wollen mehr über die Oświęcimer Juden wissen, weil sie zur Stadt gehörten, und ob man sie vermißt.
    Ja, meint der Zivildienstleistende, sie waren für die Stadt ein wesentliches Element. Durch sie entdecke ich ein anderes Polentum, das heute verloren ist. Ein den Juden zugeneigtes. Juden beteiligten sich am politischen Leben, traten den Parteien bei und waren Mitglieder des Stadtrats.
    Die Stille, die diese Bilder umgibt. Sie erinnern sie an die Bilder ihrer Großmutter mütterlicherseits von der »guten alten Zeit«.
    Hier war noch alles in Ordnung.
    Dennoch: diese Stille kann sie nicht beschwichtigen. Unentwegt das Gefühl, nicht genug zu wissen. Sie ist ungeduldig mit sich selbst.
    Ich gehe hinaus.
    Neue Fragen bedrängen mich.
    Ich frage nach der Assimilation.
    Bis ins sechzehnte Jahrhundert, sagt Paweł, ging es den Juden darum, ihr Eigenes unverändert und unversehrt zu erhalten. Ihre Religion hieß sie, ihren Vorvätern treu zu bleiben und die Tradition zu pflegen. Sie hatten nicht vor, sich den anderen anzupassen. Dieser hartnäckige Wille wurde durch die Jahrhunderte der Verbannung und Wanderung noch verschärft. Polen gewährte ihnen lange ein gewisses Maß an geistiger und sozialer Autonomie. Spielraum. Niemand zwang sie zur Assimilation.
    Doch zur Zeit meines Großvaters war die Situation eine andere, sage ich.
    Das war die Folge einer Reihe von Katastrophen, die Polen im Lauf der Geschichte erschüttert hatten, sagt Paweł. Die dramatische Geschichte des Städtchens Oświęcim am Zusammenfluß von Weichsel und Soła, das wiederholt seine Zugehörigkeit wechseln mußte. Mit den ersten Pogromwellen zur Zeit des Ersten Kreuzzugs, die nicht mehr abrissen, fing es an. Über Jahrhunderte war Oświęcim nicht nur ein Sammelbecken der Verfolgten, es wurde auch verschachert nach Gutdünken, bis weit ins 19. Jahrhundert. Erst verkaufte man Oświęcim für 50 000 Silbermark an Polen, dann ging Oświęcim vorübergehend an Österreich, danach zum Deutschen Bund,
administrativ zum

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