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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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König von Böhmen, Herr von Galizien und Ludomerien war – hatte nach dem »Toleranzpatent« des österreichisch-ungarischen Kaisers Joseph II . von 1782 seinen ethnischen Gruppen die glei
chen Rechte gegeben und hielt für sie eigene Universitäten.
    Mit seinen Neuerungen wandte sich Badeni letztlich auch gegen die Assimilierung und propagierte die erleichterte Integration der Juden, die auf allen Gebieten den anderen Bürgern gleichgestellt wurden. Sie konnten deutsche Namen annehmen und Hochschulen besuchen.
    Nun sollten alle Staatsbeamten in Böhmen innerhalb von vier Jahren ihre Zweisprachigkeit nachweisen, selbst in den deutschen Gebieten. Das heizte die Stimmung auf, und die Regierung war machtlos gegen die um sich greifenden Unruhen. Der Deutschradikale Karl Hermann Wolf kämpfte erbittert für das »deutsche Volkstum« und provozierte Badeni, bis es zum Duell kam, mit Pistolen und dreifachem Kugelwechsel. Er verletzte Badeni, Badeni gab auf und trat zurück. Eine deutschnationale Revolution gegen die polnische Regierung, das Kaiserhaus und nicht zuletzt gegen einen modernen multinationalen Staat.
    Die deutsche Sprache war für Ferdinand eine Lebensfrage. Was ein Sprachkampf bedeutete, hatte er schließlich zur Genüge in Oświęcim erlebt, wo die wechselnde Landessprache die Schüler verwirrt hatte.
    Das Studententum, das seit 1848 in den politischen und nationalen Bewegungen eine große Rolle spielte, war für ihn die ideale Besetzung für sein Thema. Damit rückte er die nationalen und politischen Ideen seiner Zeit in den Vordergrund. Und genau darum ging es ihm.
    Doch konnte er es sich leisten, die umstrittene Judenfrage zum Thema zu machen? Mußte er da nicht mit höchstem Aufsehen rechnen?
    Das Gerüst der Handlung stand bereits vor ihm, als er mit dem Schreiben begann, und er staunte, wie mühelos
sich Auftritt an Auftritt reihte und bereits nach drei Wochen das Manuskript vor ihm lag.
    Gekonnt umriß er die Stadien der Entwurzelung des jüdischen Schankwirtssohnes und Studenten Schmelz, der an sich keine Spur von Jüdischem entdecken kann und sich durch und durch als Deutscher fühlt. Ohne Wissen des Vaters gibt er den Glauben seiner Väter auf und läßt sich Franz Wilhelm taufen. Er tritt der deutschnationalen Verbindung »Nibelungia« bei, läßt sich von den Corpsbrüdern mit dem Verbindungsnamen »Hamlet« titulieren. Vom alten Juden Perlensam aus seiner Heimatstadt befragt, distanziert er sich vom Judentum und verleugnet schließlich den Vater. Und weil es eine Komödie ist, versöhnt sich Wilhelm in der Schlußszene mit seinem Vater.
    Sein Vorhaben war im Ansatz kühn: Ein Stück um die Problematik einer mißglückten Assimilation, die die Juden zerbrach und entwurzelte: »Die ganze Welt haben sie in eine Trödelbude verwandelt, und was bisher dem menschlichen Geist als das Edelste, das Höchste erschienen ist, damit treiben sie ebenso respektlos ihren Schacher wie früher mit den alten Hosen in den Ghettobuden!«
    Die Ausgangsidee war, daß die Assimilation notwendig war, nicht für die Juden, sondern für die Deutschen: »Deutsch muß dieser Staat sein oder er wird nicht sein«, um im Lauf des Stückes in der Anschauung zu münden, daß die Assimilation sinnlos war. Die Form der Komödie gibt ihm die Möglichkeit, tabuisierte Gedanken auszudrücken – und sie gleichzeitig wieder aufzulösen.
    Beschwichtigungsversuch? Harmoniebedürfnis? Angst? Die große Versöhnungsarie zwischen Vater und Sohn am Schluß des Stückes ist abermals ein Zugeständnis an die Öffentlichkeit.
    Ihm war mulmig, als er das fertige Stück las. Schließlich war die »Judenfrage« eines der »heikelsten, vielleicht das heikelste Problem unserer Tage«, geradezu ein »Noli me tangere in gewissen Kreisen«, wie er schreibt. Vor allem in der liberalen Presse, die in Theaterangelegenheiten ausschlaggebend war.
    Manches in der Komödie war seine eigene Erfahrung und kaum verschlüsselt: »Sie haben ihren Vater um Erlaubnis gebeten zum Übertritt. Er hat sie Ihnen verweigert, rundweg. Und statt sich die Sache noch einmal zu überlegen, gehen Sie hin und lassen sich dennoch taufen! Und nicht genug an dem, so nehmen Sie noch einen anderen Namen an und werden Antisemit! So handelt nicht ein Kind gegen seinen Vater.« Oder das Streitgespräch

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