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Meine Väter

Meine Väter

Titel: Meine Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bronnen
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mit ihr eine Affäre hatte, verwundert bei seiner allseits bekannten Vorliebe für Schauspielerinnen nicht. Gretha von Jeinsen, die mit ihrem Mann Ernst Jünger ebenfalls zu den Hochzeitsgästen gehörte, charakterisiert sie »als das wildeste, ungezähmteste Geschöpf der Natur, das mir jemals begegnen sollte, von nie gesättigtem Hunger nach dem Leben«. Allerdings: »Die Tiefe fehlte, das leidenschaftliche Herz: sie war nur Verführerin und Bacchantin, ein Mensch der Sinne.«
    Als Ferdinand und Martha den Blau-Weiß-Club betraten, dürften sie Arnolt – hellblaues Monokel im Auge, zwischen den Zähnen eine erkaltete Zigarre – in einer Art Opernkulisse vorgefunden haben, inmitten von silbernen Kandelabern, Blumenvasen und Statuetten. Die Braut war noch nicht erschienen, was ihn höchst nervös zu machen schien.
    Sie begrüßten Dagny Servaes, die Tochter von Ferdinands altem Wiener Freund Franz Servaes, und ihren jüdischen Ehemann. Unauffällig bedeutete sie den beiden Alten, denen unbehaglich zumute war, wer unter den Gästen welchen Rang einnahm, Ernst Jünger, Arnolts Verleger Ernst Rowohlt, die Prominenz von Bühne, Rundfunk und Film.
    Alle warteten auf das Eintreffen der Braut.
    Olga machte daraus einen großartig inszenierten Bühnenauftritt: In einem edlen Spitzengewand, das sie vorne kühn schürzte, schritt sie herein, die hinter ihr her wehende lange Schleppe trug ein blonder Knabe, Ernst Jüngers kleiner Sohn Ernstel, den Seitenscheitel mit Zuckerwasser gefestigt.
    Kaum war sie da, erschien Joseph Goebbels in SA -Uniform, gefolgt von seinem Stab, und überreichte Olga einen riesigen Rosenstrauß. Im Protokoll wird Bronnen später schreiben, Olga hätte auf dem Erscheinen von Goebbels bestanden (was er unter der Bedingung erlaubte, daß sie Goebbels mitteilte, auch seine jüdischen Freunde wären eingeladen; seinen Vater erwähnte Bronnen dabei nicht). 
    Goebbels hielt Hof, umschwärmt von Liebedienern und Speichelleckern. Olga nahm eine der Rosen aus Goebbels' Strauß und heftete sie an ihre Brust. Dann, als er mit seinen Satrapen aufbrach, überreichte sie ihm feierlich ebendiese Rose.
    Während der Hauptgang aufgetragen wurde, erhob sich Generaloberstabsarzt Schelle, Bronnens Onkel, der Bruder von Marthas Vater, um eine kurze Tischrede zu halten. Die Anrede »Mein lieber Neffe Arnold Bronner« löste unter den Gästen Getuschel aus, in der späteren Schilderung Bronnens war es ein bösartiger Affront gegen den Bräutigam, verursacht von einem aus Marthas deutschstämmiger Familie.
    Nicht zuletzt auch ein Affront gegen Ferdinand?
    Hätte der Onkel nicht längst wissen müssen, daß sein Neffe nicht der leibliche Sohn des assimilierten Juden Ferdinand Bronner sein wollte? Wollte Schelle den Ruf des berühmten deutschen Dramatikers Bronnen ruinieren?
    Am nächsten Morgen erschien Arnolt früh bei Martha, nahm sie mit in seine Wohnung, er habe etwas mit ihr zu besprechen. Es ging wohl um die Abstammungsklage, doch davon im Protokoll kein Wort. Ferdinand machte sich vielleicht früh auf den Weg, um alte Berliner Freunde zu treffen.
    Gauleiter Goebbels, sagte Arnolt, habe mitten in der Nacht angerufen und Olga zu sich zitiert.
    Â»Ich dachte nichts Übles und widmete mich meiner lieben, greisen Mutter, froh, sie für ein paar Stunden für mich allein zu haben.« Es wurde Mittag, es wurde dämmrig, und immer noch keine Spur von Olga. Erst um elf Uhr nachts sei sie von Goebbels zurückgekommen.
    Bronnen hatte seinen Skandal, der schnell die Runde machte – auch wenn er ihn vielleicht selbst erfunden hatte. Er konnte nicht wissen, daß Goebbels akribisch Tagebuch führte, auch über seine Frauenaffären. Goebbels hatte längst die Jüdin Ruth Hetzel als nächste Geliebte im Visier.
    Erdachte sich Bronnen Olgas Verschwinden in der Hoch
zeitsnacht, um sich gegen den Schwerenöter Goebbels als liebevoller Sohn in Szene zu setzen? Inzwischen hält sie alles für möglich.
    Die nähere Bekanntschaft mit Goebbels liegt zwischen 1930/1931 und dauerte nur ein halbes Jahr. »Der kleine, nicht ohne eine gewisse Grazie hinkende Mann mit den seltsam schief angewachsenen Ohren, dessen lüsterner und verlogener Mund gegen die groß wirkenden, klugen, wohl eher scharf als tief blickenden Augen kontrastierte«, begann Bronnen zu faszinieren.

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