Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhart Baum
Vom Netzwerk:
der Entscheidungen«, sagt Spiros Simitis, der Vater des deutschen Datenschutzrechts. Immerhin ist die sogenannte Post-Privacy-Fraktion in der Piratenpartei inzwischen offenbar eine Minderheit. Sie hält den Schutz der Privatheit für verzichtbar.
    Tatsache ist, dass große Datenverarbeiter eine Vielzahl von Daten erhalten, ohne dass wir es wissen. Unsere Spuren sind aber längst im Netz und bleiben dort. Und dagegen müssen Schutzvorrichtungen aufgebaut werden. Das alte Datenschutzrecht geht von dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus. Wir sollten bestimmen können, was mit unseren Daten passiert. Durch die Lebenswirklichkeit ist das längst überholt. Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, neue Rahmenbedingungen für Datensammlung und Datenverarbeitung festzulegen, für den privaten und für den öffentlichen Bereich, national und auf europäischer Ebene. Die Konzepte der Sachverständigen liegen seit langer Zeit in der Schublade. Diese ist aber nach dem 11. September nicht geöffnet worden - ein für mich unerklärlicher Vorgang. Wo bleibt der Bürgerprotest? Der Selbstregulierung kann man diese Aufgabe nur begrenzt überantworten. Das heutige Datenschutzrecht hinkt der Kommunikationsentwicklung weit hinterher, es muss dringend angepasst werden. Helfen könnte die Pflicht zur Offenlegung der Daten, zu ihrer Löschung und das Verbot, sie in bestimmten Fällen zu verwenden. Plakativ gesagt: ein Recht auf Vergessen.
    Die Europäische Kommission hat Datenschutzvorschläge vorgelegt. Sie sind nicht unproblematisch, weil sie das deutsche Datenschutzniveau senken und das Bundesverfassungsgericht in eine Außenseiterposition bringen. Auf diesem ganzen Feld sehe ich eine Aufgabe für die Liberalen: Datenschutz ist heute ein Freiheitsthema ersten Ranges. Besonders wichtig sind gesetzliche Klarstellungen für die Beschäftigten in den Betrieben. Die Forderung lautet: »Grundrechtsschutz im Netz« und nicht »Anarchie im Netz«. Vergessen wir nicht: Inzwischen gibt es ein neues Grundrecht, das Computergrundrecht, vom Bundesverfassungsgericht im Online-Urteil definiert. Es muss nun endlich umgesetzt werden.
    Wie bewerten Sie die Tatsache, dass zwei Personen, je nach ihrem gespeicherten Persönlichkeitsprofil, bei der gleichen Frage unterschiedliche Antworten bekommen?
    Zum Beispiel höre ich abends, wenn ich mich entspanne, über YouTube Musik, bestimmte Musik, bestimmte Interpreten - also beispielsweise Klaviermusik mit Sviatoslav Richter. Um Himmels willen, warum wird gespeichert, was ich für Musik höre? Das klingt harmlos, aber diese Spur wird Teil meines Persönlichkeitsprofils im Netz. Es gibt noch viel mehr Informationen, die ins Netz eingehen: welches Parfüm wir bevorzugen, wo und was wir essen, mit wem wir ausgehen, welche Bücher wir kaufen, wohin wir reisen, mit welcher Fluggesellschaft, in welcher Klasse, mit welcher Kreditkarte. Aus allen diesen Einzelinformationen erwächst mit der Zeit in diesen großen Datenbanken ein immer umfangreicheres Lebensprofil. Und die Datenbankbetreiber verwerten ihre Erkenntnisse ja auch kommerziell, indem sie unsere Daten mit Profit verkaufen. Ich bin mir ziemlich sicher: Da die Datenbanken sich in den USA befinden, kann man davon ausgehen, dass die US-Sicherheitsbehörden mitlesen. Datenaskese - wie manche sie überlegen - ist keine Lösung für die Zukunft. Datensparsamkeit allerdings ist geboten. Wenn man nicht will, dass die Schufa auf die Daten Zugriff haben kann, darf man sie eben nicht öffentlich preisgeben.
    Weltweit gab es Proteste gegen das internationale Handelsabkommen für den Schutz von Urheberrechten, ACTA genannt. Die Kritiker sehen in dem Abkommen eine Einschränkung von Freiheitsrechten.
    Zunächst ist festzuhalten, die Aufregung um ACTA macht deutlich, dass viele Menschen sehr sensibel auf Freiheitseinschränkungen im Netz reagieren. ACTA will eine internationale Regelung herbeiführen, und das ist im Grunde auch notwendig. Die Gefahren von ACTA liegen in den nicht genau präzisierten Kontrollmechanismen. Hier kann sich Zensur einschleichen. Das Projekt ist in der jetzigen Form gestorben. Die Bürger haben die Politiker zurückgepfiffen.
    Die Freiheit im Netz tritt in ein Spannungsverhältnis zum Urheberrecht. Wie sieht Ihre Lösung aus?
    Ich kann nur die Bundesjustizministerin zitieren, die ohne Scheu festgestellt hat: »Wir haben noch nicht die richtigen Instrumente gefunden, um das Urheberrecht im Netz überzeugend und umfassend zu

Weitere Kostenlose Bücher