Meine Wut ist jung
die wir hinterlassen, verschwindet aus dem Netz.
Das Grundsatzurteil zum Bundesdatenschutz von 1983, mit Recht »Magna Charta« des Datenschutzrechts genannt, ist nicht konsequent weiterentwickelt worden, weder national noch international. Soweit das überhaupt noch funktioniert: Der mögliche und notwendige Schutz wird uns nicht gewährt.
Niemand wird die Vorteile bestreiten, die mit der digitalen Revolution verbunden sind. Sie entwickelt sich mit großer Dynamik und bietet natürlich eine Fülle neuer Chancen. Denken wir nur an ihre Rolle bei den Freiheitsaufständen in der arabischen Welt. Die Internetrevolution ist ein historischer Einschnitt, vergleichbar mit der Einführung des Buchdrucks oder mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts - die »Vernetzung« ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.
Ich warne aber vor Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Internet. Wir haben - entgegen landläufiger Meinung - doch eine Menge zu verbergen. Und wir sollten sehr vorsichtig sein mit der freiwilligen Preisgabe unserer Privatheit.
Stehen wir wirklich vor einer solch einschneidenden Zeitenwende?
Die Entwicklung verläuft mit einer nicht vorhersehbaren Dynamik. Man kommt kaum noch mit. Es ist in mancher Hinsicht wirklich eine Zeitenwende. Sie ergreift und verändert unsere Lebensweise, sie verändert uns selbst, unser persönliches und berufliches Verhalten, unsere Vorlieben und Gewohnheiten. Das Positive steht außer Zweifel: Die digitale Revolution erleichtert unser Leben in vielerlei Hinsicht. Das ist auch weniger mein Thema - die Gefahren sind es. Wahrscheinlich wird man erst nach einer gewissen Zeit wissen, welche Auswirkungen auf das menschliche Miteinander, auf Meinungsbildungsprozesse in der Gesellschaft, auf unser Denken und Handeln die Folgen sind. Computer nehmen heute schon Einfluss auf die Art, wie wir formulieren und schreiben. Google zum Beispiel beeinflusst schon heute unsere Sprache und wird irgendwann, bevor wir es nur aussprechen können, schon wissen, welche Frage wir stellen und welche Antwort wir geben werden.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel wirft die Frage auf, wie lange wir uns noch vom Computer unterscheiden, und stellt fest: »Mit jeder dieser technologischen Neuerungen wird der Mensch besser analysierbar und berechenbar, also vorhersagbar. Er wird Teil des globalen digitalen Netzwerks. Ist er dann ein technisierter Mensch oder eine humanisierte Maschine?« Der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt sieht Folgendes voraus: »Wir wissen immer, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, was du denkst.«
Durch all unsere Bewegungen im Netz wird unser Persönlichkeitsprofil umfangreicher und konkreter und kann ohne unser Zutun für vielerlei Zwecke verwendet werden. Im Übrigen auch dann, wenn es falsch ist. In Zukunft wird das »Internet der Dinge« unseren Alltag dominieren durch geschwätzige Maschinen, die wir überall benutzen. Im Haushalt, im Auto, im Büro. Unser Stromzähler wird künftig Auskunft darüber geben können, welches TV-Programm wir am Vorabend gesehen haben.
Mit Erschrecken habe ich eine Meldung gelesen, dass die National Security Agency in den USA zurzeit eine gigantische Datenbank vorbereitet, in der weltweit alle analogen und digitalen Daten gespeichert werden sollen. Ein Sachkenner der Materie sagt dazu, dass wir unmittelbar vor einem schlüsselfertigen totalitären Staat stehen. Er geht davon aus, dass - trotz aller Beteuerungen - eine solche Datenbank nicht mehr zu kontrollieren sei. Diese neue Datenbank ist eine Reaktion auf die zunehmende Gefahr der Cyberattacken auf die Infrastruktur in den USA und anderswo, gleichsam in einem modernen Cyberwar. Dieser ist schon voll im Gange, auch die NATO richtet sich darauf ein.
Fazit: Einerseits Faszination, andererseits Erschrecken durch das Internet. Das Netz gibt nicht nur Freiraum, es ist ein Fangnetz, das über uns ausgeworfen wird.
Wir diskutieren den Schutz der Privatheit. Warum ist »Privatheit« so wichtig und wie sehr ist sie gefährdet?
Marc Zuckerberg, der Facebook-Gründer, hält die Privatsphäre nicht mehr für eine soziale Norm. Aus seiner Sicht natürlich nicht, denn Facebook ist ein rücksichtsloser Vermarktungskonzern, ein sogenannter Datenfresser. Selbst wenn die Mehrheit der Bürger auf Privatheit freiwillig verzichten wollte, würde das Grundgesetz nicht außer Kraft gesetzt. »Die Preisgabe der Privatsphäre degradiert den Menschen zum bloßen Objekt
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