Meine Wut rettet mich
Gutenachtgeschichte. Die Kinder sollten spüren: Es gibt eine höhere geistige Kraft, die auch im Alltag wichtig ist. Für mich und die Kinder war klar, dass wir am Sonntag in die Kirche gehen. Und da kamen dann schon Fragen auf. Einfache Fragen nach Gott, Schutzengeln und so weiter. An mich und an Pater Köster. Diese Fragen wurden nicht provoziert, aber auch nicht verhindert, sie kamen teilweise auch durch die Schule. Als Peter erfuhr, dass er Buddhist war, wollte er mal unbedingt, dass Pater Köster so betet, wie er sich vorstellte, dass Buddhisten beten: schweigend, die Hände anders gefaltet, im Lotussitz, die Augen geschlossen. So musste er verharren, streng beobachtet von dem Jungen – oder anders gesagt: Die Kinder sind frei aufgewachsen.
„ Die Kinder sind frei aufgewachsen. ”
Welche Rolle spielte die Herkunftsfamilie?
Beide Kinder waren religiös verankert. Anna haben wir aufgenommen, als sie drei Monate alt war. Ihre Mama ist eine Christin, vermutlich eine evangelische. Sie hat ihre Tochter nach der Geburt katholisch taufen lassen. Anna stammt von den Philippinen, sie ist in einem Mutter-Kind-Heim der Ordensgemeinschaft vom Guten Hirten geboren. Ich wollte ihre Mutter mit Fragen nach dem Warum nicht unter Druck setzen. Denn hierher kommen ja nur Frauen, in deren Leben etwas schiefgelaufen ist. Wenn Anna heute hierher kommt, ins Pfarrhaus, dann sagt sie, sie komme nach Hause; wenn sie zu ihrer Mutter geht, sagt sie, sie gehe bei der Mama vorbei. Sie hat Abitur gemacht und dann ein Soziales Jahr in Australien. Jetzt studiert sie Betriebswirtschaft in Köln. Sie ist praktizierende Christin. Aber ich denke nicht, dass sie jeden Sonntag in die Kirche geht. Die Anna zweifelt sicher auch manchmal, hat aber einen unverkrampften Zugang zur Kirche. Geht sie an einem Sonntag nicht in den Gottesdienst, dann erzeugt das kein schlechtes Gewissen bei ihr oder Furcht vor einem strafenden Gott.
Und Peter?
Seine Mutter ist Thailänderin. Sie behauptet, Buddhistin zu sein. Also sei ihr Sohn auch Buddhist. Peter lebte hier mit uns und besuchte in der Schule den katholischen Religionsunterricht. Dort wurden die Kinder mit neun Jahren auf die Kommunion vorbereitet. Er wollte das auch, war aber ja nicht getauft. Pater Köster schlug ihm vor, das mit seiner Mama zu besprechen. Sie waren unsicher, wir sprachen dann auch mit ihr: Wenn Peter sich jetzt taufen lasse, bedeute das nicht, dass er nie ein Buddhist sein könne. Denn die eigentliche Entscheidung trifft ein Mensch ja viel später. Und er weiß ja, dass die Mama Buddhistin ist. Sie geht in den Tempel, aber auch in die Kirche. Ich, wir alle, Christen, auch die Moslems, wir gehen davon aus, dass Gott der Schöpfer aller Menschen ist. Wie, das ist damit noch nicht gesagt. Aber er ist der Ursprung allen Lebens. Daher bin ich überzeugt, dass er in das menschliche Leben auch die Suche nach ihm selbst gelegt hat. Jeder Mensch trägt in sich die Suche nach diesem Ursprung allen Lebens, nach Gott oder wie auch immer er genannt wird. Und wir geben oft zu einfache Antworten. Im Alten Testament steht ganz deutlich: Ihr dürft euch kein Bild machen. Karl Rahner 21 sagte immer: »Ihr braucht Bilder, damit ihr euch etwas vorstellen könnt, aber ihr solltet nie vergessen, dass jedes Bild immer auch verkehrt ist.«
„ Jeder Mensch trägt in sich die Suche nach dem Ursprung allen Lebens, nach Gott oder wie auch immer er genannt wird. ”
Welches Bild haben Sie von Gott?
Ich denke, Gott ist immer der ganz Andere, der nicht in Bildern zu fassen ist. Eine Kraft, eine Macht, aber wissend und denkend, um uns wissend. Es gibt so viele Aussagen über Gott, wie es Fragen zu ihm gibt. Ich bin überzeugt, dass die Suche nach diesem Gott in jedem Menschen angelegt ist; aber sie kann vorübergehend aus vielerlei Gründen verschüttet werden.
Welche Rolle spielte für Ihre Kinder das Vorbild, das Sie abgaben?
Wir wollten ihnen einfach unsere Prinzipien vorleben. Sonst kann man diese auch von den Kindern nicht erwarten. Aber es herrschte hier bei uns nie ein Zwang. Die Ausnahme war, dass ich auf dem gemeinsamen sonntäglichen Kirchgang bestanden habe. Pater Köster wäre da nicht so strikt gewesen.
Gab es Proteste?
Der Junge ging nicht so gerne.
Warum nicht?
Er fand es langweilig; gleichzeitig war er aber, wie Anna auch, Messdiener. Mit 17, 18 erklärte er, er glaube an nichts; trotzdem wollte er wenig später von sich aus mitfahren zum Einkehrtag für den Pfarrgemeinderat. Jetzt gerade
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