Meineid
Vormittag im Präsidium verbracht, mit Karreis über den Terminkalender gesprochen und in Erfahrung zu bringen versucht, ob es bereits etwas von Bedeutung gab. Ich hatte die Gelegenheit auch genutzt, Karreis über Jans Selbstmordversuch zu informieren. Verschweigen ließ sich das nicht. Meiner Meinung nach hatte es Eindruck auf Karreis gemacht. Er stand Mandys Vater nicht so abgeneigt gegenüber, wie zu erwarten gewesen wäre. Feibert war geradezu fasziniert vom großen Unbekannten. Ich erklärte Greta die Eintragungen in Tess’ Kalender.
Für den Todestag gab es zwei, eine am Vormittag:
«K» für elf Uhr am Vormittag. Die zweite für dreizehn Uhr bestand aus Zahlen .Greta meinte, mit K sei die Kosmetikerin gemeint. Das konnten wir am Montag klären. Ich wollte von Jan wissen, ob er etwas bemerkt hatte, was uns weiterbrachte. War ihm einmal die Kopie der Vaterschaftserklärung unter die Augen gekommen? Hatte es Zahlungen gegeben? Oder vielleicht eine unvorsichtige Bemerkung von Tess? War das Telefongespräch am Freitagnachmittag das erste dieser Art gewesen? Oder hatte es vorher schon Telefonate gegeben, bei denen Tess ihren Gesprächspartner Niklas nannte? Waren auf seinen Telefonrechnungen Einzelnachweise aufgelistet? Damit hätten wir am schnellsten herausgefunden, ob und wen Tess um halb vier angerufen hatte. Aber zu Einzelnachweisen schüttelte Jan den Kopf. Und was den Rest betraf, meinte er mit verschlossener Miene:
«Was soll der Scheiß? Dir kann ich doch erzählen, was ich will. Du glaubst mir kein Wort.»
«Es kommt nicht darauf an, was ich glaube», sagte ich.
«Hauptsache, die Polizei glaubt dir. Für mich ist nur von Bedeutung, was ich Greta glauben kann. Und so gut kenne ich sie nach all den Jahren. Ich weiß, wann es ihr ernst ist. Sie würde ein Geständnis ablegen, ehe sie zulässt, dass es dir an den Kragen geht.»
Er starrte mich an, als hätte er kein Wort verstanden. Dann schaute er Greta ins Gesicht und erkundigte sich ungläubig:
«Ein Geständnis?»
«Du hast richtig verstanden, erklärte ich und wiederholte fast wörtlich, was sie mir samstags im Auto aufgetischt hatte. Während ich sprach, ließ Jan keinen Blick von ihr. Als ich zum Ende kam, legte er den Kopf in den Nacken und prustete los. Er lachte, als wollte er nie wieder damit aufhören. Dann sprang er, immer noch lachend, von der Couch, lief in die Diele, weiter ins Bad, schloss die Tür und lachte weiter. Im ersten Augenblick war Greta ebenso verblüfft wie ich. Es dauerte eine Weile, ehe wir begriffen, dass es kein Lachen war. Es war das jämmerlich hysterische Weinen eines Kindes, das von Gott und der Welt verlassen war. Ich muss zugeben, dass es mir Beklemmungen verursachte. Es passte nicht zu dem Bild, das ich von ihm hatte. Ich versuchte, die widersprüchlichen Empfindungen, die die Laute aus dem Bad in mir auslösten, mit Sarkasmus abzuschütteln.
«Mit so viel Entgegenkommen hat er wohl nicht gerechnet.»
Greta stand mitten im Raum und schwieg. Wir horchten beide in Richtung Bad. Es nahm kein Ende.
«Mit dem Messer in der Hand erwischt hat er dich aber nicht», sagte ich.
«Sonst wäre er jetzt nicht aus allen Wolken gefallen. Du solltest die Einzelheiten nochmal mit ihm durchsprechen.»
Greta biss sich auf die Lippen und fragte:
«Willst du einen Kaffee?»
Wir gingen in die Küche. Dort waren die Schluchzer noch deutlicher zu hören. Greta brühte Kaffee auf. Wir nahmen die Kanne mit ins Wohnzimmer, tranken die ersten Tassen. Die zweiten waren noch gut zur Hälfte gefüllt, als ich es nicht länger ertrug. Ich sprang auf, Greta war noch vor mir in der Diele.
«Es reicht, Jan, meinte ich, als ich hinter ihr das Bad betrat.
«Wir sind unter uns. Allmählich darfst du deine Fassung zurückgewinnen.»
Aber danach sah es nicht aus. Er saß neben dem Waschtisch auf dem Boden, hatte die Beine angezogen und den Kopf auf die Knie gelegt. Beide Arme hatte er über Nacken und Hinterkopf gelegt, als erwarte er Schläge. Minutenlang sprachen wir abwechselnd auf ihn ein, zuerst ohne sichtbaren Erfolg. Erst nach einer endlosen Zeit hob er den Kopf, blinzelte zu Greta hoch.
«Du würdest das wirklich tun? Du würdest ein Geständnis ablegen?»
Greta nickte nur. Ich hatte keine andere Wahl, als diesen Irrsinn zu unterstützen, hätte ich es versucht, sie hätte mich auf der Stelle vor die Tür gesetzt.
«So weit müssen wir es nicht kommen lassen», sagte ich.
«Abgesehen davon, dass es mir nicht ins Konzept passt,
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