Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
Das hatte sie Jan vor drei Jahren einmal erklärt. An einem Abend, als es so spät wurde, dass ihre Augen zu tränen begannen und sie die Linsen gegen die Brille tauschen musste. Er hatte zugeschaut, wie sie den Behälter vorbereitete, sich erkundigt, wozu die Tablette gut sei und was passierte, wenn man die Linsen aus der Wasserstoffperoxid-Lösung in die Augen setzte. Zum Glück tat Greta das nicht beidhändig. Sie fing mit dem linken Auge an. Es stach wie mit tausend Nadeln in den Augapfel. Jan musste die Lösung ausgetauscht haben, während sie schlief. Sie schrie nicht, sie brüllte vor Schmerz. Und trotzdem hörte sie ihn lachen, ein kurzes, hässliches, gemeines Lachen.
    «Tut verdammt weh, was? Augen sind sehr empfindlich. Na, spül es mal gründlich aus und such deine Brille. Ich hoffe, du hast noch eine. Dann machst du mir Frühstück, und dann suchst du die Tabletten, die in die Brühe gehören. Dann kommt das bis Mittag auf die Reihe.»

    «Du elender Hund! Warum tust du das?»

    «Weil’s Spaß macht», sagte er.
    «Wenn ich dich nicht noch brauchen würde, hätte ich ganz andere Dinge getan. Gejuckt hat es mich in den Fingern, als ich dich so liegen sah. Aber dann dachte ich mir, heben wir uns den richtigen Spaß für später auf und lassen es für den Anfang bei einer kleinen Kostprobe bewenden. Es sollte nur eine Warnung sein. Ich hoffe, du hast verstanden.»
    Er ging auf die Tür zu. Ehe er sie erreichte, drehte er sich noch einmal um.
    «Ach, und noch was. Komm nicht auf die Idee, nochmal am Computer rumzufummeln. Wenn du unbedingt was schreiben willst, geh zur Polizei und unterschreib deine Aussage. Du weißt ja wohl noch, was wir abgesprochen haben.»
    Das wusste sie. Und in dem Moment glaubte sie auch zu wissen, was er mit seinem Verhalten bezweckte. Sie hatte verhindert, dass er starb, also versuchte er sein Schicksal auf andere Weise zu besiegeln. Wenn er ihr nur deutlich genug demonstrierte, was für ein elender Hund er tatsächlich war, ließ sie ihn schon fallen in seinen Schmerz um Tess und seine Resignation. Gretas Zweifel kippten noch einmal ins Gegenteil. Sie hatte zum Telefon greifen und mich anrufen wollen, als er das Wohnzimmer verließ. Das tat sie dann leider nicht. * Ihre Brille lag in einem Schubfach der Anrichte. Sie musste nicht lange suchen, setzte sie auf und fragte sich, was sie fühlte, abgesehen von dem Stechen im Auge, dem Kratzen im Hals, und dem Spannen im Gesicht. Sie wusste später noch genau, dass sie im Bad dachte, Kinder muss man toben lassen. Dabei sah sie ihn vermutlich als Vierjährigen – verstört im Blut seiner Mutter hocken. Und daran lag es wohl, dass sie einfach nicht in der Lage war, ihn zu hassen für das, was er ihr bereits angetan hatte. Für die Dusche nahm sie sich Zeit, für ihr Gesicht ebenfalls. Es sah scheußlich aus, fleckig und blaurot verquollen. An den Rändern färbten sich die Schwellungen bereits gelblich grün. Aber das ließ sich mit Make-up leidlich überdecken. Sie rechnete fest damit, dass Jan sich bemerkbar machte. Wenn er an seiner Rolle festhalten wollte, musste er etwas unternehmen. Doch sie hörte und sah nichts von ihm, solange sie im Bad war. Und als sie herauskam … Sie hatte versäumt, frische Unterwäsche und Oberbekleidung aus dem Schlafzimmer zu holen, ehe sie ins Bad ging. Es war keine Absicht. Es war nur der Blick gewesen, mit dem er sie gemustert hatte, als sie mit Brille in die Diele kam. Das abfällige Kräuseln der Lippen. Man wartet unwillkürlich auf eine höhnische Bemerkung, wenn man so etwas sieht. Und sie wollte ihn nicht unnötig provozieren. Sie wollte ihn auch nicht reizen, in keiner Weise. Mit ihm schlafen war so ziemlich das Allerletzte, was sie an dem Morgen wollte. Sie wickelte sich ein Badetuch um den Leib und ging hinüber. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen. Er lag auf dem Bett, die vernarbten Beine lässig übereinander geschlagen, den verletzten Arm quer über dem Bauch, mit der Hand einen Aschenbecher festhaltend. In der anderen Hand eine Zigarette.
    «Ich mag keinen Rauch im Schlafzimmer», sagte sie.
    «Daran wirst du dich aber gewöhnen müssen.»

    «Jan, hör auf, das Ekel zu spielen, bat sie in der Annahme, ihm mit normalem Tonfall klarzumachen, dass er sich vergebens anstrengte.
    «Geh in die Küche, wenn du rauchen willst. Ich ziehe mir nur rasch etwas an, dann mache ich uns Frühstück.»

    «Lass dir Zeit, auf ein paar Minuten kommt es nicht an. Im Moment ist mir gar nicht nach

Weitere Kostenlose Bücher