Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
nicht wissen. Etwas in dieser Art musste Tess gesagt haben. Dass Greta ihn über meine Spezialitäten informiert hatte, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Ich kam auf die speziellen Verletzungen zurück. Keine Blutergüsse an den Beinen diesmal, nur die Hautrisse an den Brüsten. Jan war sicher, dass der Gerichtsmediziner diese Art von Hautrissen auch an anderen Stellen fand. Und nicht nur solche Wunden, auch Verbrennungen. Er sprach das aus, als ginge es um einen Schnitt in den Finger. Greta biss sich auf die Lippen. Mir verschlug es den Atem. Und Jan meinte gereizt:
    «Du hast richtig gehört, Verbrennungen. Heißes Wachs. Darüber hatte sie bei mir was gelesen. Sie fand es wahnsinnig scharf. Natürlich musste sie es sofort ausprobieren. Nicht mit mir, also schau mich nicht so an. Sie hat mir davon vorgeschwärmt, daher weiß ich es.»

    «Nicht mit dir!», sagte ich.
    «Es wird uns schwer fallen, das zu beweisen.»

    «Wird es nicht», sagte Greta endlich.
    «Mandys Vater hat sie damals nicht –»

    «Jetzt verschone mich mit Mandys Vater, schnitt ich ihr das Wort ab.
    «Was er mit Tess veranstaltet hat, war ein simpler Akt von Gewalt. Wir reden hier von Sadismus. Ich glaube das nicht! Tess war nicht so. Verbrennungen!»

    «Du hast eine bestimmte Vorstellung von Tess, meinte Jan mit sanftem Lächeln.
    «Die hatte ich auch – bevor ich sie geheiratet habe. Danach nicht mehr lange. Aber ihr ist es mit mir genauso ergangen. Sie hatte ein paar Seiten gelesen und dachte, sie wäre bei mir an der richtigen Adresse. Sie war bitter enttäuscht, als sie ihren Irrtum erkannte. Eine Zeit lang hat sie versucht mir einzureden, ich müsse das aus Liebe für sie tun.»
    Er lachte kurz auf und erkundigte sich:
    «Wie hättest du an meiner Stelle reagiert? Hättest du das geschafft, aus Liebe? Ich hab’s nicht geschafft. Und dann hatte ich eben kein Gefühl. Daran erinnerst du dich doch sicher.»
    Er schaute Greta an und lachte noch einmal, es klang bitter.
    «An dem Nachmittag hätte ich sie besser gebeten, ihren Rock anzuheben. Samstags war sie unterwegs gewesen. Als sie heimkam, hat sie zuerst ein Sitzbad genommen. Schau dir mal die Flaschen an, die im Bad stehen. Da sind ein paar Duftwässerchen, aber da stehen auch ein Kamillekonzentrat und Alkohol zum Desinfizieren. Darauf legte sie großen Wert. Es sollte sich nichts entzünden, da wäre sie beim nächsten Mal nicht voll einsatzfähig gewesen.»
    Meinem Blick hielt er stand, ohne mit einer Wimper zu zucken.
    «Ihre Handgelenke hast du gesehen. Und ich konnte von deiner Stirn ablesen, was du denkst, Niklas. Am liebsten hätte ich gesagt, nimm sie mit, wenn du sie willst. Nimm sie um Gottes willen mit, ehe sie mich völlig kaputtmacht.»
    Er senkte den Kopf, seine Stimme brach, als er weitersprach:
    «Aber der Witz an der Sache war, ich habe sie geliebt, wirklich geliebt. Ich dachte, irgendwann hat sie die Nase voll von diesen Sauereien, irgendwann muss sie doch merken, dass Schmerz und Liebe nichts miteinander zu tun haben. Ich dachte, ich könnte sie mit Geduld an das gewöhnen, was ich unter Liebe verstehe. Sie schlief auch mit mir, auf normale Weise. Und eine Weile hatte ich sogar das Gefühl, es macht ihr Spaß. Bis ich dahinter kam, dass sie nur dann mit mir schlief, wenn sie sich vorher ausgetobt hatte. Dann tat es nämlich weh, verstehst du? Dann ließ es sich gar nicht vermeiden, dass sie Schmerzen hatte.»
    Nachdem Jan zum Ende gekommen war, brauchte ich eine Weile, um alles zu verarbeiten. Die Erinnerung an die Silvesternacht bekam diesen unangenehmen Nachgeschmack, das sichere Empfinden, dass Tess nur soziale Absicherung gesucht hatte. Mir war, als klopfe Luis Abeler mir noch einmal auf die Schulter.
    «Viel Spaß noch, aber such dir das richtige Bett aus.»
    Luis war immer ein exzellenter Menschenkenner gewesen. Er musste ihre Absicht ebenso durchschaut haben wie ich. Dass Jan ihr auf den Leim gegangen war, dass ich es nicht für notwendig erachtet hatte, ihn vor ihr zu warnen. Es kam eine Menge zusammen, und alles gipfelte in meinem Schuldgefühl. Wenn ich vor dreizehn Jahren meinen Verstand beisammengehalten hätte, wäre Greta niemals in eine Mietwohnung gezogen, ihm nie begegnet und er Tess nicht. Aber kein Wenn, kein Wäre oder Hätte änderte etwas an ihrem Tod und den Fakten. Als ich zu sprechen begann, war jedes Wort sorgfältig überlegt. Ich sprach nicht als vermeintlicher Freund, nicht einmal als guter Bekannter, nur als Anwalt, der einem

Weitere Kostenlose Bücher