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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ägyptische Mythologie. Sie stopfte ihr Hirn mit Dingen voll, die sie im praktischen Leben nirgendwo anwenden konnte. Doch für das praktische Leben waren ihrer Meinung nach auch andere zuständig. Die gegensätzliche Richtung, in die sie sich entwickelten, brachte es mit sich, dass der enge Kontakt mit den Jahren lockerer wurde. Doch sie sahen sich auch während Gretas Studienzeit anfangs noch beinahe täglich. Meist kam Tess am späten Nachmittag zu ihr, erzählte von den Aufregungen, die sie am Vortag hatte bewältigen müssen, und von den Männern, mit denen sie den Abend und die halbe Nacht verbracht hatte. Ein Flirt nach dem anderen. Ein Tanz, vielleicht noch ein Kuss auf dem Heimweg. Wer mehr von Tess haben wollte, musste etwas Besonderes bieten. Er musste zumindest sämtliche ägyptischen Götter kennen, genau wissen, wo, wann und von wem ein neues Bakterium entdeckt worden war und welche Muskeln man für ein Lächeln brauchte. Das wussten die wenigsten, damit war die Sache für Tess schon erledigt, ehe sich die Frage nach Beruf und Einkommen gestellt hatte. Tess verachtete Dummheit und bedauerte Greta, weil sie so viel Spaß versäumte und über Paragraphen einstaubte.
    «Eines Tages bist du eine vertrocknete alte Schachtel. Vormittage in stickigen Gerichtssälen, Nachmittage mit schwitzenden Mandanten. Und was machst du abends? Akten lesen. Das kann doch nicht dein Leben sein. Pack den Kram zusammen und zieh dich um.»
    Sie drängte unentwegt, Greta solle mit ihr ausgehen. Ein paar Mal ließ Greta sich überreden. Dann stand sie neben Tess, irgendwann tauchte aus der Masse jemand auf, machte ihr Komplimente. Und Greta wusste genau, dass er sie nur als Umweg benutzte, um die Aufmerksamkeit ihrer schönen Freundin zu erregen. Man sollte meinen, es habe Greta gestört oder sogar verletzt. Aber das tat es nicht. Sie hatte nicht vor, ihr Leben von einem Mann abhängig zu machen. Sie wollte sich ausschließlich auf ihr Ziel und ihr Studium konzentrieren. Bis ich kam. Niklas Brand, ein Jahr älter als sie, geboren in einer Villa in Marienburg. Mein Elternhaus steht auf einem riesigen Grundstück mit schönem, altem Baumbestand. Mein Vater gab den Beruf vor. Rechtsanwalt. Renommierte Kanzlei in der Innenstadt, nahe dem Appellhofplatz. Das war Gretas Traum. Ich muss eine Offenbarung für sie gewesen sein und ein Wunder. Dass ausgerechnet ich mich in sie verliebte! Wer war sie denn mit zweiundzwanzig? Nur Greta Baresi, Tochter eines italienischen Gastarbeiters und einer deutschen Putzfrau. Immer zu klein und zu dünn, kein Geld, die Zähne richten zu lassen oder sich einen guten Friseur zu leisten. Der Gedanke, die Brille gegen Kontaktlinsen zu tauschen, war ihr auch noch nicht gekommen. Aber da wir uns in einem Hörsaal kennen lernten und nicht in einer Diskothek, tauchte nicht der Verdacht auf, ich könne sie als Sprungbrett benutzen wollen, um Tess zu erreichen. So war es auch nicht, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass Tess existierte. Und vielleicht sieht Liebe tatsächlich mit anderen Augen. Zu klein und zu dünn, man konnte es auch zierlich nennen. So sah ich Greta, ein zierliches Persönchen mit einer zugegebenermaßen äußerst üppigen Haarpracht und einem Ehrgeiz, von dem mein Vater einmal sagte, es wäre ihm lieb gewesen, ich hätte mir eine Scheibe davon abgeschnitten. Und es war nicht nur ihr Ehrgeiz. Greta strahlte schon in jungen Jahren eine Kraft aus, eine Unbeugsamkeit, die vieles überlagerte und die Illusion weckte, sie sei unverwundbar. Hinter ihrer Brille spiegelte sich der eiserne Wille, das Milieu, in dem sie aufgewachsen war, weit hinter sich zu lassen. Völlig verstanden habe ich ihre Einstellung nie. Ich sah nichts, wofür sie sich schämen musste. Als ich sie zum ersten Mal ausführte, verbot sie mir, sie zu Hause abzuholen. Eine schäbige Mietwohnung in Ostheim. Während des Studiums lebte sie noch bei ihren Eltern. Triste, graue Fassaden, ein Haus wie das andere. Sie wollte verhindern, dass ich das sah. Ich fuhr trotzdem hin, ging sogar hinauf in die Wohnung. Die Einrichtung war noch älter als Greta. Ihre Eltern hatten sich nie etwas gegönnt in all den Jahren. Alles, was nicht unbedingt zum Lebensunterhalt benötigt oder nach Pisciotta geschickt wurde, hatten sie in die Tochter investiert. Unsere Greta soll es einmal besser haben, lautete das Motto. Unsere Greta hat einen klugen Kopf unter ihrer Löwenmähne. Unsere Greta ist fleißig und ehrgeizig, nicht so

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