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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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verächtlichen Laut aus.
    «Mein Gott, konntest du dir für deine Kopfschmerzen nicht auch ein paar Tabletten verschreiben lassen?»
    Sein Grinsen war wie ein Messer in ihrem Nacken.
    «Wenn ich etwas hasse», sagte er, «sind es Zäpfchen. Sie wecken bestimmte Erinnerungen, aber das weißt du ja. Dafür muss ich mich übrigens bei dir bedanken. War nett, dass du Niklas nicht gleich alles erzählt hast. Tust du mir noch einen Gefallen? Fahr ins Haus, lösch den Roman von der Festplatte, tritt mal kräftig auf die Sicherungskopie. Und jetzt lass mich vorbei.»
    Sie stand mitten in der Tür, stemmte die Arme zu beiden Seiten gegen den Rahmen. Er kam langsam auf sie zu, in der linken Hand den Streifen mit den Zäpfchen, in der rechten das gefüllte Wasserglas. Den Streifen ließ er achtlos auf den Boden fallen. Sie sah, dass er zwei Finger abspreizte. Er machte eine Bewegung mit der Hand, als wolle er eine Schleife in die Luft zeichnen. Sie kannte diese Geste. Er hatte beschrieben, wie Barringer sie ausführte. Es war einer von den wenigen Schlägen, die angeblich nur ein paar Auserwählten bekannt waren und mit denen man einen Menschen praktisch im Vorbeigehen töten konnte. Er schaute sie an, grinste immer noch, ein bisschen wehmütig und bedauernd jetzt.
    «Das bringe ich nicht mehr», sagte er.
    «Ich bin aus der Übung.»
    Und im selben Augenblick schnellte die rechte Hand mit dem Wasserglas hoch. Durch seine Fuchtelei mit der Linken war Greta abgelenkt. Der Schwall traf sie ins Gesicht. Sie kniff noch reflexartig die Augen zusammen und riss einen Arm schützend davor, nur half das nicht mehr. Die rechte Kontaktlinse verschob sich, die linke wurde ausgespült. Jan ließ ihr keine Zeit, danach zu tasten. Das Glas klirrte und zerbrach auf dem Boden. Etwas tauchte verschwommen und rasend schnell vor ihrem Gesicht auf. Sie hörte ihn noch sagen:
    «Tut mir Leid, Greta, aber du willst es nicht anders.»
    Dann schlug er zu – mit der Faust. Den ersten Schlag spürte sie noch. Aber nur den. Wie lange sie bewusstlos gewesen war, wusste sie später nicht. Sie war wie blind, als sie wieder zu sich kam. Ihr Kiefer schmerzte höllisch. Im Hinterkopf pochte es, als schlüge eine Spitzhacke auf sie ein. Sie war mit dem Kopf gegen den Türpfosten geprallt – beim ersten Hieb. Danach musste Jan noch mehrfach und mit aller Kraft zugeschlagen haben. Sie schmeckte Blut im Mund, ihr Gesicht brannte und spannte, schien aufgeblasen wie ein Ballon. Keine Stelle, die nicht betroffen war. Im ersten Augenblick hatte sie nur Angst um ihre Zähne. Das passte zu ihr – nur nichts von dem wieder hergeben, was man mit Mühe, Schweiß und Energie erreicht hat. Ihre Zähne richten zu lassen hatte sie viel Zeit, viel Geld, viel Blut und viele Schmerzen gekostet. Sie fuhr sie mit der Zungenspitze ab. Es saßen alle noch fest an ihrem Platz. Das Blut kam von der Unterlippe. Auch mit ihren Augen war so weit alles in Ordnung. Eine tüchtige Schwellung zog sich rund um das linke, sie konnte es nicht richtig öffnen und fühlte auch die verschobene Linse nicht mehr. Stattdessen fühlte sie klebrige Nässe an der Augenbraue. Die Haut war aufgeplatzt. Sie tastete nach ihren Kontaktlinsen, fand sie auch. Eine klebte ihr vorne auf dem Kleid, die zweite lag unter ihrem Arm und war zum Glück nicht beschädigt. Sie steckte beide kurz in den Mund, dann konnte sie sie einsetzen. Und danach hatte sie Zeit für den Schmerz. Ein paar Sekunden Benommenheit, in denen nichts weiter existierte als das Brennen und Spannen im Gesicht und das Hacken im Hinterkopf. Dann setzte die Erinnerung ein. Die Migränezäpfchen in Jans Hand! Sie kam sehr schnell vom Boden hoch, musste sich jedoch gleich wieder am Türpfosten abstützen. Ihr war entsetzlich schwindlig. Von der Küchentür bis zum Bad war es nur ein kurzes Stück quer durch die Diele. Die Tür zum Bad war geschlossen. Jan musste hinter der Tür sein. Mit den Zäpfchen! Der Wirkstoff in Überdosierung war mit Sicherheit tödlich. Ihr Kopf platzte fast unter der Spitzhacke, hinzu kam wahnsinnige Angst. Sie war nicht etwa wütend auf ihn, zu diesem Zeitpunkt empfand sie immer noch Liebe und Verständnis, da war kein Raum für andere Gefühle. Jan hatte sie geschlagen! Na und? Er hatte doch allen Grund gehabt, wenn er uns zugehört hatte. Greta konnte nachvollziehen, wie er sich gefühlt haben musste, verraten und betrogen. Er hätte sie töten können. Mit bloßen Händen erwürgen oder sich ein Messer aus einem

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