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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Reden, er grinste nur. Saß mit dem Rücken gegen die Tür, sperrte sie beide ein und verurteilte sie, sich anzuschauen, wie er starb. Etwas Schlimmeres hätte er ihr nicht antun können. Jedes an ihn gerichtete Wort prallte von seinem Grinsen ab. Seine Haut war aschfahl. Das Telefon stand für sie unerreichbar im Wohnzimmer. Ihr Gesicht brannte, ihr Kopf zerplatzte beinahe. Gibt es eine Steigerung für Verzweiflung? Ich denke schon. In der Zeit im Bad hat Greta sie erlebt. Das Kleiderbündel, mit dem sie sich am Abend zuvor beschäftigt hatte, lag unter dem Waschbecken. Das ehemals graue, nun blaue Häufchen Stoff mit dem weißen Fleck der Bluse dazwischen. Der Streifen mit den Zäpfchen lag vor der Wanne auf dem Boden. Jan hatte sie nicht angerührt, hatte das Messer vorgezogen. Greta hob die Zäpfchen auf. Wenigstens einen klaren Kopf wollte sie bekommen. Wenn man vor Schmerz kaum denken kann, wie soll man da die richtigen Argumente finden? Jan, ich bitte dich, tot sein ist endgültig. Du hast noch dein halbes Leben vor dir. Es kann nicht schlimmer werden, nur besser. Vertrau mir. Ich weiß, du hast es nicht gelernt, zu vertrauen. Aber man kann alles lernen. Ich tu für dich, was ich kann. Eher gehe ich selbst ins Gefängnis, als dass ich zulasse, dass sie dich einsperren. Glaub mir! Wenn alle Stricke reißen, werde ich aussagen: Ich habe Tess getötet. Natürlich werden sie mir nicht glauben. Aber ich kann die Stiche beschreiben, ich kann ihnen ein Motiv nennen, dass ich dich liebe. Ich kann eine Menge tun. Sie wusste später nicht mehr, ob sie es ausgesprochen oder nur gedacht hatte. Sie erinnerte sich nur noch, dass seine Augen die ganze Zeit an ihrem Gesicht hingen, auch dann noch, als sie sich auf die Toilette setzte. Sie grinste ebenfalls. Mit Bitten und Flehen war nichts auszurichten. Man konnte ihn nur mit seinen eigenen Waffen schlagen.
    «Ich habe nichts gegen Zäpfchen», sagte sie.
    «Aber ich habe auch nicht deine Erfahrungen. Für mich ist Sex wunderbar. Keine Ahnung, wie es ist, vergewaltigt zu werden. Viele Frauen zerbrechen daran. Für Männer ist es noch schlimmer, denke ich. Wenn es häufig passiert, glauben sie am Ende, sie wären schwul. Und wenn sie es dann nicht schaffen, mit einer Frau zu schlafen … Aber das kann andere Gründe haben. Dass die Frau sie nicht reizt. Oder dass sie sie für ein gerissenes Luder halten.»
    Sie blieb auf der Toilette sitzen, zog nur den Slip wieder hoch und klappte den Deckel herunter.
    «Ich bin ein gerissenes Luder», sagte sie.
    «Was ich will, bekomme ich. Ich will, dass du lebst. Und ich bin nicht nur gerissen, ich bin auch geduldig. Du hast fünf Valium im Leib! Spürst du schon etwas? Es ist ein Gefühl wie Watte im Kopf. Du wirst schlafen wie ein Baby. Dann binde ich dir den Arm ab, ziehe dich von der Tür weg und rufe einen Arzt. Sie werden dich wieder aufpäppeln. Wenn du das verhindern willst, musst du mich umbringen. Das schaffst du nicht! Du kommst nicht mehr vom Boden hoch. Versuch es! Steh auf und stich mich nieder.»
    Das Grinsen musste längst auf seinem Gesicht eingefroren sein, das Wedeln hatte er eingestellt. Die Hand mit dem Messer lag zitternd auf seinem nackten Oberschenkel. Sein ganzer Körper zitterte. Er fror, trug nur den dünnen Slip und saß auf dem kalten Fliesenboden. Aber im Bad waren es um die fünfundzwanzig Grad. Es musste der Blutverlust sein. Rechts und links von ihm kroch es millimeterweise vor. Die rote Lache wurde größer und größer, ein Teil davon färbte seinen Slip ein. Greta bemühte sich, nicht hinzusehen.
    «Wenn du wirklich sterben willst, lass mich raus», sagte sie.
    «Dann rufe ich Niklas an. Er schlägt dich tot. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wütend er ist. Er war immer scharf auf Tess, das siehst du richtig. Er war schon hinter ihr her, als wir dich noch nicht kannten. Nie hat er etwas erreicht bei ihr. Und immer hat er sich Hoffnungen gemacht. Als sie Mandy bekam, war er überzeugt, dass sie sich jetzt für ihn entscheidet. Auf der Silvesterparty, erinnerst du dich? Den ganzen Abend war er mit ihr zusammen. Dann bist du ihm in die Quere gekommen. Und jetzt wollte sie sich von dir trennen. Da durfte er neue Hoffnung schöpfen.»
    Seine Augenlider senkten sich. Sein Kopf bewegte sich abwärts in Richtung Schulter, als könne er ihn nicht mehr gerade halten. Fünf Valium, es konnte nicht mehr lange dauern. Sie musste ihn nur davon abhalten, sich noch mehr anzutun, zwang sich, nicht immerzu auf seinen

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