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Meinen Sohn bekommt ihr nie

Titel: Meinen Sohn bekommt ihr nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Neulinger
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entfernt. Es ist fast Mitternacht, der Tank ist leer. Ich möchte diesen letzten Halt vor Taba nutzen, um mir die Beine zu vertreten und die trockene Wüstenluft einzuatmen.
    Hätte ich das bloß gelassen! Durch das Zuschlagen der Tür wacht der Kleine auf und fängt an zu weinen. Plötzlich sind die Schmerzen seiner Mittelohrentzündung wieder da, und er will sich gar nicht mehr beruhigen lassen. Auf dem Weg nach Eilat und auch während der letzten zehn Kilometer an der Küste entlang weint Noam ununterbrochen. Wir überlegen, anzuhalten und den Rest der Nacht in Eilat zu verbringen, als mein Sohn, vom vielen Weinen erschöpft, wieder einschläft. Es ist nach drei Uhr morgens.
    Â«Der Kleine wird nie besser schlafen», sagt Moshe bestimmt. «Wenn wir bis morgen früh warten, wird dich dein Mut vielleicht verlassen. Nur zu, jetzt oder nie!»
    Im Frühsommer, mit den ersten heißen Temperaturen, ist es nicht unüblich, dass Urlauber auch nachts über die Grenze fahren. Von weitem sehe ich schon die gewaltigen Scheinwerfer des Grenzpostens von Taba. Wir sind da.
    Moshe macht den Motor aus. «Jetzt bist du an der Reihe.» Er reicht mir die Autoschlüssel.
    In Arad habe ich auf seinen Rat hin eine Vierteltablette Valium genommen, aber jetzt, wo ich mich ans Steuer setze, hat mich die Angst wieder fest im Griff, und es kommt mir so vor, als ob das Beruhigungsmittel rein gar keine Wirkung zeige.

    Um diese Zeit ist auf den Straßen nichts los, und ich erreiche den Parkplatz des Grenzpostens in wenigen Minuten. Mein kleiner Wagen ist der einzige auf dem großflächigen, taghell erleuchteten Parkplatz. Ich spüre den Blick der Grenzpolizisten in meinem Rücken, sie beobachten mich vom Wächterhäuschen aus. Ich recke und strecke mich demonstrativ und gehe dann betont locker zum Gebäude hinüber, in dem sich die Zollbüros befinden. Trotz der drückenden Hitze klappern mir die Zähne.
    Die Würfel sind gefallen, ich trete durch die Schiebetür ins Zollamt ein. Die voll aufgedrehte Klimaanlage sorgt hier drinnen dafür, dass mir der Schweiß augenblicklich auf dem Rücken gefriert.
    Ich nähere mich dem Schalter, an dem ich die Ausfuhrsteuer zu entrichten habe.
    Ein gut gelaunter Beamter lächelt mich an. «Guten Tag. Für eine Person? Reist du alleine, Isabelle?»
    Ich bejahe und möchte das Lächeln erwidern. Doch ich bekomme kaum Luft, und das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich stehe kurz davor, in Ohnmacht zu fallen. Am liebsten würde ich ihm alles gestehen: dass es sich um einen Irrtum handle, dass ich es mir anders überlegt und nicht mehr nach Ägypten reisen wolle, dass…
    Doch der Zollbeamte stellt keine weiteren Fragen und bittet mich nur, die fällige Steuer zu begleichen. Ich gebe ihm meine Schekel und versuche, das Zittern meiner Hand zu unterdrücken.
    Er reicht mir das Rückgeld und die Quittung und fragt: «Brauchst du ägyptische Pfund?»
    Auch das noch! Mein Fluchthelfer hat mich nicht darüber aufgeklärt, dass an diesem Schalter auch Geld gewechselt wird, weshalb ich nicht mit dieser Frage gerechnet habe.
    Ich tue so, als ob ich nachdenke, und bin geistesgegenwärtig genug, ihm, wenn auch mit unsicherer Stimme, zu erwidern: «Nein… danke… Ich habe noch ägyptisches Geld von meiner letzten Reise.» Dabei unternahm ich diese Reise nur probehalber, und sie dauerte gerade einmal zwei Stunden. Ich hoffe, dass der lächelnde Beamte nicht dahinterkommt.
    Doch er sagt nur: «In Ordnung. Dann eine gute Reise, Isabelle. Du kannst weiter zur Passkontrolle, immer den Gang entlang.»
    Ich bedanke mich. Gegen meine Nervosität stecke ich mir einen Kaugummi in den Mund und kaue so stark, dass mir die Kiefer schmerzen.
    Die Passkontrolle liegt ebenso verwaist da wie das restliche Gebäude.
    Wie so oft in Israel sitzt eine Frau hinter dem Schalter. Mit entschlossenem Schritt gehe ich auf sie zu und reiche ihr meinen Pass. Schweiß perlt von meiner Stirn, mein Bauch schmerzt. Die Frau nimmt den Pass und klappert auf der Tastatur ihres Computers herum.
    Mit einem Mal hält sie inne. Sie schaut mich prüfend an, schaut auf den Pass, schaut wieder mich an. Die Hände in den Taschen, trete ich von einem Bein aufs andere. Sie soll den Eindruck bekommen, dass ich in Gedanken schon beim Urlaub bin. Ich möchte ungezwungen wirken, aber in meinem Kopf gehen die Gedanken wild

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