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Meinen Sohn bekommt ihr nie

Titel: Meinen Sohn bekommt ihr nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Neulinger
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wir das Schiff erreichen würden, hätten uns die Grenzhubschrauber oder die Marine längst ausfindig gemacht.
    Eine zweite Möglichkeit wäre, eine Frau zu finden, die ein Kind in Noams Alter hat. Ich würde ihr eine Woche Ferien in der Schweiz respektive Geld anbieten, damit sie meinen Sohn über die Grenze bringt und ihn für ihren eigenen ausgibt.
    Doch auch diesen Plan verwerfe ich schnell wieder, da ich weiß, dass die Grenzgängerin es vor allem auf das Geld abgesehen haben könnte und kaum aus Nächstenliebe handeln würde. Und wer garantiert mir, dass sie mich nicht mein Leben lang erpressen würde?
    Drittens könnte ich mich auch an die russische oder die israelische Mafia wenden. Nur würde mich das eine Menge Geld kosten. Und zudem fehlen mir die nötigen Kontakte, um mir Zugang zu diesem Milieu zu verschaffen.
    Ich fühle mich leer und ausgelaugt, und ich habe Angst. Ich frage mich, was sich hinter diesem allzu einfach erlangten Get verbirgt. Sicherlich führt Shai etwas im Schilde und belässt es nicht dabei. Es ist die Ruhe vor dem Sturm.
    Im Übrigen hat er beim Sozialamt sein erstes Gesuch eingereicht: Er verlangt, dass Noam eine religiöse Krippe besucht.

Die Flucht
    Da sich eine Flucht auf dem Wasser nicht organisieren lässt, komme ich wieder von der Idee ab, die Grenze heimlich zu überschreiten. Das Risiko wäre zu groß, zumindest für Noam. Ich selbst darf unbehelligt ausreisen. Wir werden den Landweg wählen, über Ägypten.
    Ãœber Bekannte lerne ich einen Schleuser kennen. Nach einem ersten Treffen verschwindet er auf mysteriöse Weise. Ein zweiter zeigt mehr Interesse.
    Der Mann, den ich Moshe nennen werde, ist sehr diskret. Und misstrauisch. Um sich mit mir in Verbindung zu setzen, hat er sich eigens eine Prepaidkarte zugelegt. Auch ich müsse mir eine besorgen, er akzeptiere nur eine anonyme Nummer. Von nun an habe ich also immer zwei Handys bei mir, von dem eines ausschließlich für eine Person reserviert ist. Manchmal komme ich mir wie in einem schlechten Krimi vor.
    Nach einigen Treffen ist die Sache geregelt. Als Entschädigung verlangt er 30000 Dollar, eine Summe, die ich nicht besitze und mir in der Schweiz leihen muss. Ich soll das Geld auf verschiedene Konten überweisen. Das ist im April 2005.
    Von nun an beginnt mein Doppelleben. Tagsüber arbeite ich, nachts bereite ich meine Flucht vor.

    Moshe überlässt nichts dem Zufall. Zum Beispiel soll ich überprüfen, ob das Gericht nach meiner Scheidung nicht ohne mein Wissen ein Ausreiseverbot gegen mich verhängt hat. Wir planen also, ein erstes Mal die Grenze zu überqueren, ohne Kind, nur er und ich.
    Ich nehme mir einen Tag frei, gebe Noam wie üblich in die Krippe und fliege, anstatt arbeiten zu gehen, nach Eilat. Von dort bringt uns ein Taxi zum Grenzposten von Taba ungefähr zehn Kilometer weiter südlich. Die Erkundungstour verläuft ohne Schwierigkeiten. In Taba passieren wir die Zollstelle, wir trinken auf der ägyptischen Seite einen Tee und kehren noch am selben Tag nach Tel Aviv zurück. Dort angekommen, schlägt mir Moshe mehrere Termine für unser Vorhaben vor. Ich stelle mich auf Ende Mai ein.
    Lange diskutieren wir, auf welchem Weg wir das Land am besten verlassen. Schließlich einigen wir uns darauf, dass Moshe zuerst mit Noam, der im Kofferraum versteckt ist, am Posten von Taba über die Grenze fahren wird. Ich werde ihnen allein folgen.
    Die Vorbereitungen verlaufen gut, doch je näher das Datum rückt, desto zögerlicher und unentschlossener werde ich. Ich verschiebe den Termin erst um zwei, dann um drei Wochen. Ich brauche noch Zeit, um mich innerlich darauf einzustellen. Vor allem deshalb, weil ich diesmal ganz auf mich alleine gestellt bin. Von meinen verrückten Plänen habe ich niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen gesagt, nicht einmal meinen Eltern oder Igal. Nur meine Freundin Sabine und meine Schwester Lynn in der Schweiz habe ich ins Vertrauen gezogen. Gegenüber meiner Chefin erwähne ich nur, dass ich eines Tages nicht mehr bei der Arbeit erscheinen werde und sie sich dann nicht weiter zu sorgen brauche. Mehr sage ich nicht, und ich lege mich mehr denn je ins Zeug, meine Arbeit gut zu machen.

    Meine Nächte sind unruhig. In Gedanken gehe ich wieder und wieder meine Flucht durch. Ich weiß, dass man den Grenzposten entweder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einem

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