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Meinen Sohn bekommt ihr nie

Titel: Meinen Sohn bekommt ihr nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabelle Neulinger
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letzten Worte sein werden, die ich hier auf Hebräisch höre, dass meine Freiheit vor mir liegt, dass sie die Hand nach mir ausstreckt, drei, zwei, eins…
    Ich sehe die Frau an und lächle zum ersten Mal: «Auch dir einen wunderschönen Tag.»
    Im nächsten Moment öffnet sich die Schranke, und nach wenigen Metern bin ich in Ägypten, wo mich ein träge in seinem Wächterhäuschen sitzender und vor sich hin paffender Zollbeamter mit gleichgültigem Blick empfängt.
    Nun ist Schluss mit dem Versteckspiel. Stolz zücke ich unsere beiden Schweizer Pässe. Der gutmütige Mann meint auf Englisch: «Ah, Switzerland, it’s the best!» Am liebsten hätte ich ihn umarmt.
    Im Rückspiegel sehe ich, dass Noam die Augen geöffnet hat. Doch mein Kleiner weint nicht, als ob er spürte, dass alles gut ging. Ich steige aus dem Auto und mache ein Freudentänzchen. Noam schaut mich an und lacht bis über beide Ohren.
    Während mir der ägyptische Zollbeamte die Transitvignette ausstellt, fülle ich meine Lungen noch einmal mit Wüstenluft. Der Tag bricht schon an, er zeichnet rosafarbene Schatten auf die Berge des Sinai. Ich kann nicht anders, als mich an der Schönheit der Landschaft zu erfreuen, wohl wissend, dass mir dieser Anblick sehr lange verwehrt sein wird. Diese Nacht werde ich nie vergessen.

    Moshe hat die Grenze zu Fuß überschritten und stößt kurz darauf zu uns. Zusammen durchqueren wir die Sinaihalbinsel bis Scharm el-Scheich. Gegen Mittag rufe ich meine Familie in der Schweiz an. Ich habe es geschafft. Am Sonntag werde ich in Genf sein!
    Bis dahin werde ich in einem Hotel am Roten Meer unterkommen, in dem mir Lynn ein Zimmer reserviert hat. Moshe und ich verabschieden uns in der Eingangshalle. Er soll das Auto nach Israel zurückbringen, damit Igal es verkaufen kann. Auch soll er in meine Wohnung gehen und mir mehrere Kisten mit persönlichen Dingen nachschicken. Er wird nichts davon tun. In der Annahme, das Auto sei registriert, wird er es in Scharm el-Scheich stehen lassen.
    Eine Woche später, Anfang August, detoniert vor dem Nachbarhotel eine Autobombe. In den Trümmern entdeckt die ägyptische Polizei zwei Fahrzeuge mit israelischen Transitvignetten. Ich werde nie erfahren, ob mein kleiner Daihatsu, den der Schleuser dort zurückgelassen hat, eines der beiden Autos war.

    Vom Hotelzimmer aus benachrichtige ich alle, dass ich endlich frei bin. Ich rufe auch Igal in Tel Aviv an und meine Chefin im Büro. «I made it!» , sage ich stolz.
    Und dann gönne ich mir eine Massage. Mehr denn je habe ich das Bedürfnis, mich zu entspannen, den Druck von mir nehmen zu lassen. Ich kann es noch kaum glauben, dass ich am Swimmingpool auf einer Massagebank liege.
    Â«Keine Ahnung, was Sie gemacht haben. Aber so einen verspannten Rücken habe ich mein Lebtag noch nicht behandelt», meint der Masseur. «Falls Sie morgen noch da sind, kommen Sie unbedingt wieder.»

Teil zwei Der Kampf

Rückkehr in die Schweiz
    Das Flugzeug startet in Scharm el-Scheich am frühen Sonntagmorgen. Nach zwei Verwöhntagen unter Palmen im Hilton Fayrouz bin ich so entspannt, dass ich mich dabei ertappe, auf dem Weg zum Flughafen Erinnerungsfotos zu schießen. Inmitten all der Urlauber ist mir dort aber doch sonderbar zumute. Ich habe das Gefühl, dass uns Welten trennen, dass dies nur eine kleine Verschnaufpause auf einer Flucht war, die nun weitergeht. Doch dann besinne ich mich und sage mir, dass mir hier nichts geschehen kann. Niemand weiß schließlich, wo ich mich gerade befinde.
    Mit Noam auf dem Arm begebe ich mich leicht nervös zur Passkontrolle und versuche, auf dem Gesicht des Zollbeamten irgendeine Regung abzulesen. Dabei besteht kein Grund zur Besorgnis. Ohne ein Zögern drückt er seinen Stempel in unserer Pässe.
    Das Flugzeug macht im Badeort Hurghada einen Zwischenstopp. Passagiere steigen zu. Ein Herr setzt sich neben mich und fragt, ob ich schöne Ferien gehabt hätte.
    Ich lächle ihn an. «Es waren sehr lange Ferien.»
    Â«Da haben Sie aber Glück.»
    Â«Oh ja, das habe ich.»
    Während des Flugs hänge ich meinen Gedanken nach, denke an meinen geplatzten Traum, an alles, was ich hinter mir gelassen habe, an das, was vor mir liegt. Ich lasse die sechs Jahre in Israel an mir vorbeiziehen, meine erfolgreiche Alija sowie den Abstieg in die Hölle. Ich erinnere mich an den

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