Meinen Sohn bekommt ihr nie
durcheinander. Was ist los? Gibt es ein Problem? Was sieht sie auf ihrem Bildschirm? Ist doch hinter meinem Rücken ein Ausreiseverbot gegen mich verhängt worden? Auf keinen Fall darf sie mir meine Besorgnis anmerken. Und ich muss mich davor hüten, sie zu fragen, ob etwas nicht stimme. Ruhig bleiben. Warten, bis sie den ersten Schritt macht. Ich denke an Noam, der drauÃen im Auto schläft. Hoffentlich geht alles gut, hoffentlich hat er nicht wieder Ohrenschmerzen und weint. Vor lauter Aufregung bekomme ich Nasenbluten. Ich habe das Gefühl, dass man das Herz in meiner Brust schlagen sieht, wie in der Eingangsszene von Midnight Express, nur dass ich kein Haschisch, sondern meinen Sohn schmuggle.
Ich wühle in meiner Gürteltasche, finde ein Papiertaschentuch und drücke es mir aufs Gesicht. Genau in diesem Moment stempelt die Beamtin meinen Pass und gibt ihn mit einem knappen «Gute Reise!» zurück. Vor Erleichterung verschlucke ich meinen Kaugummi, worauf ich Schluckauf bekomme. Das blutbefleckte Taschentuch in der einen Hand, den Pass in der andern, bewege ich mich so bedächtig wie möglich zum Ausgang, am Typen von der Geldwechselstube vorbei, dem ich kurz zuwinke. Wie um alles in der Welt ist es möglich, dass diese Leute nicht sehen, in welchem Ausnahmezustand ich mich befinde?
Als ich drauÃen bin, widerstehe ich dem Drang, zum Auto zu rennen. Zum Glück schläft der Kleine. Ich setze mich auf den Fahrersitz, schlieÃe sanft die Tür und atme einige Sekunden durch. Ich weiÃ, dass es noch nicht geschafft ist, mir bleibt noch die letzte Hürde: Ich muss bei der Kontrolle den gestempelten Pass vorzeigen. Ich hoffe, dass Moshe die Wahrheit gesagt hat und die Grenzpolizei israelische Fahrzeuge nicht durchsucht. Sonst ist es aus. Endgültig.
Ich drehe den Zündschlüssel um, doch der Motor springt nicht an. Panik befällt mich. Das kann nicht sein, ich habe doch an alles gedacht, habe in der Werkstatt ein Vermögen gelassen, um die verdammte Karre auf Herz und Nieren prüfen zu lassen. Ich versuche es erneut. Nichts. Vor meinem inneren Auge läuft in Sekundenschnelle ab, was gleich passieren wird: Die Polizeibeamten werden herbeigeeilt kommen, um mir zur Hand zur gehen, das Kind wird aufwachen, sie werden alles herausfindenâ¦
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und bin im Begriff, Igal anzurufen, ihm zu sagen, in welcher Lage ich mich befinde und dass er mich doch bitte in der Zelle besuchen kommen soll, in der ich diese Nacht noch landen werde. Ich schlieÃe die Augen, und so eigenartig es auch erscheinen mag, ich bete inbrünstig wie nie zuvor: «Gott, ich bitte dich, lass mich von hier fortkommen. Es darf nicht sein, dass alles umsonst war, so kurz vor dem Ziel. Du weiÃt, wie ich gelitten habe und dass Shai mich nie in Ruhe lassen, mich umbringen würde. Und wenn ich ins Gefängnis müsste, könnte ich nicht meinen Sohn aufwachsen sehen, und er würde nie seine GroÃeltern kennenlernen.»
Tränen laufen mir übers Gesicht. In meiner Verzweiflung verspreche ich: «Wenn ich hier rauskomme, soll mein Sohn niemals vergessen, woher er kommt.»
Ohne groÃe Hoffnung drehe ich den Schlüssel noch einmal um. Der Motor läuft! Ich schaue in den Rückspiegel, die Polizisten stehen immer noch an ihrem Platz.
Für die letzte Kontrolle vor Ãgypten halte ich wieder an. Erneut eine Frau. Sie überprüft den Stempel in meinem Pass. Ohne ihn mir zurückzugeben, beginnt sie, um das Auto herumzugehen, zuerst in die eine Richtung, dann in die andere. Sie besieht sich die Reifen. Mir rutscht das Herz in die Hose, denn im Rückspiegel habe ich deutlich das FüÃchen und das Händchen gesehen, die aus der Tasche herausschauen, in der Noam schläft. Und wenn ich sie gesehen habe, gibt es keinen Grund, warum sie sie nicht auch sehen sollte.
Während ich vor mir die heruntergelassene Schranke und drei Meter dahinter das Schild «Welcome to Egypt» betrachte, sehe ich mich schon in Handschellen abgeführt. Mir ist elend zumute.
Hat mich Gott in dieser Juninacht erhört?
Die Frau tritt an mein Fenster. Sie reicht mir den Pass und sagt auf Hebräisch: «Viel Spaà im Sinai!»
Hat sie das Kind entdeckt? Tut sie so, als ob sie es nicht sehen würde? Das soll mich von nun an nicht weiter kümmern. In diesem Moment wird mir bewusst, dass ich Israel verlasse, dass dies wahrscheinlich die
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