Meines Bruders Moerderin
sagte sie ohne viel Hoffnung. Fritz schien dieses plötzliche Desinteresse neugierig zu machen. Er sprang vom Nachbardach herüber und putzte sich erst mal ausgiebig. Nur nicht den Anschein von Folgsamkeit erwecken. Aber Pia kannte die feinen Zeichen der Katzensprache nicht. Fritz kam näher. Dann witterte er das ungewohnt leckere Fressen in seinem Napf und konnte nicht widerstehen. Er war käuflich, wie alle Katzen.
Als er aber plötzlich grob gepackt und in ein enges Verlies geworfen wurde, drehte er durch. Er schrie und schlug um sich, aber er hatte keine Chance.
Pia schleppte ihn schreiend, miauend und im Korb um sich schlagend durch den ganzen Carrer Ciutat bis zur Plaça Regomir. Und hinauf in ihre Wohnung im Pati Llimona. Die Leute starrten ihr nach. Die einen schwiegen, die, die sie kannten, machten blöde Witze à la kochst du heute chinesisch? Keiner griff ein, um den armen Kater zu retten. Barcelona war keine Stadt für Katzen.
Pias Wohnung lag im Hinterhaus. Sie hatte sie nach dem Tod ihres Vaters vom Erlös seiner Lebensversicherung gekauft. Er hatte über zwanzig Millionen Peseten auf ihren Namen abgeschlossen. Die Policen mussten ihn monatlich ein kleines Vermögen gekostet haben. Als Polizist hatte er damit rechnen müssen, dass jederzeit etwas Unvorhersehbares geschehen konnte. Und er wollte ihr für diesen Fall zu etwas Freiheit verhelfen. Freiheit von den Ansprüchen und dem Geld ihrer Mutter. Die hatte trotzdem versucht, ihr das Geld vorzuenthalten. Pia war damals erst zwölf, aber sie durchschaute Doña Pilar, die nie freiwillig die Kontrolle aufgab. Pia ging zu einem Anwalt und setzte es durch, dass das Geld bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag von einer unabhängigen Treuhandgesellschaft verwaltet wurde. Genau an diesem Tag zog sie zu Hause aus und übernahm ihre Ausbildung und die Verwaltung des Geldes selbst. Ein paar ganz nützliche Dinge hatte sie in den feinen Schweizer Internaten doch gelernt. Als sie die Wohnung vor acht Jahren gekauft hatte, war das Dachgeschoss nur eine riesige, düstere Bruchbude. Seitdem hatte sie viel Geld und jede freie Minute hineingesteckt. Den hinteren Teil hatte sie erst mal total abgeschlossen und weggesperrt. Im Vorderteil hatte sie aus acht winzigen Räumen drei große Zimmer und eine Wohn-Küchen-Bar gebaut. Ein Fenster hatte sie zur Tür erweitert, und das Flachdach mit den Schornsteinen und Wasserreservoirs aus alten Zeiten in einen üppig blühenden Dachgarten verwandelt Sie hatte Glück, sie erwischte genau den richtigen Zeitpunkt. Zu spät, um die teilweise sehr seltsamen Auflagen noch einzuhalten, aber rechtzeitig für die äußerst willkommene finanzielle Beteiligung der Stadtverwaltung. Seit der Rundumrenovierung gab es im Haus sogar einen Lift.
Sie stieg im obersten Stockwerk aus und schloss ihre Tür auf. Die einzige hier oben. Der Kater tobte. Pia stellte den Korb neben dem Rucksack mit den Einkaufstüten ab und überlegte, was sie jetzt als erstes tun sollte. Juliana hatte gemeint, eine neue Katze müsste man zuerst einsperren, damit sie nicht weglief. Aber allein der Gedanke widerstrebte Pia. Sie merkte, dass der Kater plötzlich ruhig war. Seine rosa Schnauze ans Gitter presste und schnüffelte.
»Warte, dauert nicht mehr lange«, Pia brachte die Tüten in die Küche, schloss die Jalousien an den Fenstern und ließ nur die Tür zur Terrasse offen. Sie füllte eine alte Weinkiste mit Katzenstreu und stellte sie unter die Bougainvillea neben der überdachten Für. Zwischendurch redete sie mit der Katze, die jetzt nur noch leise wimmerte. Pia stellte ein Schüsselchen mit Milch auf und eins für Futter. Dann begann sie, die gambas zu schälen und zu putzen. Das Miezen im Korb wurde etwas lauter. Pia ging hin und legte den Haken der Tür zurück. Ihre Finger dufteten nach gambas . Der Kater wich erst zurück, konnte dem Gambaduft aber nicht lange widerstehen. Pia blieb reglos hocken. Vorsichtig kam der Kater näher. Schnüffelte. Kam noch näher. Pia stand langsam auf und ging zu den gambas zurück. Er folgte ihr.
Wartete.
Schnurrte.
Pia hielt ihm den ersten Gambakopf hin. Sie setzte die Zwiebeln und die Auberginen mit etwas Olivenöl in eine Form und schob sie in den Ofen. Sie schnitt Chilischötchen in Scheiben, bevor sie sie in eine Pfanne mit Olivenöl gab. Ließ sie anbrutzeln und fügte dann den klein gewürfelten Knoblauch hinzu. »Wie heißt du eigentlich?« Sie legte die restlichen gambas bereit. Es waren deutlich weniger, als sie
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