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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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ich endlich deinen Artikel?«
    »Nie. Ich arbeite nicht mehr für dich. Und schon gar nicht aktuell. Ich bin keine Sensationsreporterin. Ich ...«
    »Komm, stell dich nicht so an. Was weißt du? War es nun diese deutsche Taschendiebin? Und warum? Ich hab gehört, da gab's noch eine zweite Leiche, ebenfalls männlich. Sieht nach Sexorgie aus, oder?«
    »Frag den Pressesprecher der Polizei«, sie legte auf. Sexorgie. Eine Frau und zwei Männer. Davon träumte Geoff also. Der lausigste Liebhaber, den sie je gehabt hatte. Als das Telefon wieder läutete, nahm sie nicht ab.
    Sie saß auf einer gemauerten Steinbank mit brokatüberzogenen Kissen vor einer alten Ölpresse, die ihr als Couchtisch diente. Vor ihr lagen die Fotos vom Tatort.
    Die Luft stand. Janet hatte die Wohnung in der Carrer de Ginebra damals gekauft, weil sie lächerlich billig war, und weil sie es lustig fand. Sie trank zu der Zeit gern und viel Gin Tonic. Das Tonic war teurer als der ginebra. Und sie hatte sich vorgestellt, die Wohnung irgendwann einmal zu einem viel höheren Preis zu verkaufen. Die Olympiade wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. Aber damals war zu viel zusammengekommen. Ihre dritte Scheidung. Der Tod ihrer Mutter. Die grauenerregende Familienwoche auf dem alten Landsitz, der jetzt ihrem Bruder Jason gehörte. Sie selbst hatte nur ihren Anteil vom Vermögen der Mutter geerbt.
    Sie war jung, und sie war plötzlich reich. Vorbei die Zeiten des mühsamen Sparens. Keine Englischstunden für spanische Kellner mehr und keine Artikelchen über Needlework In Ten Easy Lessons . Zurück in die Freiheit. Auf Ibiza warteten in der Finca Marc, Sean und der kleine Eric. Und Roberto, ihr neuer lover .
    Nie im Leben hatte sie damit gerechnet, mit fünfundfünfzig wieder hier zu sitzen. In zweiundsiebzig dunklen, stickigen Quadratmetern im vierten Stock ohne Lift. Die Wohnung war ursprünglich einmal für eine kinderreiche Arbeiterfamilie konzipiert worden, und für damalige Verhältnisse bot sie unglaublichen Luxus. Vier Zimmer, eine Küche und ein richtiges Bad.
    Zu Janets größtem Bedauern und entgegen aller ihrer gewinnorientierten Voraussagen hatte die große Stadtsanierung kurz vor ihrer Wohnung Halt gemacht. Janets Haus bekam keinen Lift. Bei ihr verliefen auch weiter einige Kabel in dicken schwarzen Würsten außerhalb, aber immerhin, sie schaute nicht mehr auf die alte Brandmauer. Jetzt sah sie vom Küchenbalkon aus auf zwei Dächer und dazwischen auf einen grünen Palmenwedel. Wäre sie auf das Balkongeländer gestiegen, hätte sie vielleicht auch auf den Hafen und das Meer schauen können.
    Das Mittelzimmer war an Winterabenden hell, warm und wohnlich. Jetzt war es düster, stickig und brütend heiß. Janet beschwerte die Fotos mit einem Lineal, um sie am Wegfliegen zu hindern, legte einen neuen Film in ihre Kamera und zog sich um. Goldene Sandalen vom Flohmarkt und ein grünes Seidenkleid, das ihre Großmutter einst in Indien getragen hatte.
    Ein paar von den Palmen hatte es erwischt, aber nur die ersten gleich vorn am Rand. Die Garage war verschwunden, man sah nur noch die Gerippe der Autos. Selbst die massive Mauer war teilweise eingestürzt. Nur das Haus stand noch. Alles war weiträumig mit Plastikbändern abgesperrt. Wachen ließen keinen näher als fünf Meter heran. Kein Fernsehen mehr, keine Reporter, nur noch die Gruppen ganz normaler Neugieriger. Einige hatten sich sogar Getränke und Verpflegung mitgebracht.
    Janet erkannte Javier Llort, den Hausmeister des Nachbarhauses. Er war etwa sechzig Jahre, breit, bullig, und immer freundlich. Ihm gehörte ein kleiner Gemüseladen, die Hausmeisterei machte er nebenbei. Im letzten Jahr hatte er seine Frau durch Krebs verloren. Janet kaufte ihr bisschen Salat und Gemüse bei ihm ein.
    »Hallo, Javi.«
    »Janeta. Das ist schrecklich. So ein Feuer, und fast hätte es unsere Häuser auch erwischt.«
    »Du hast diesen Reimann gekannt?«
    Er war ein trozo de mierda . Ein richtiges Stück Scheiße. Das sag ich dir. Er hat sich hier breit gemacht, aber er hat nie hergehört. Ein Millionär, ich bitte dich. Ein Ausländer! Entschuldige, aber du bist anders. Du bist una simpática .«
    »Und dieser Reimann? Hatte er oft Besuch? Hatte er viele Freunde?«
    »Freunde? So einer hat keine Freunde. Die kleine Encarna hat für ihn geputzt. Du weißt schon, die Nichte meiner Frau. Sie hatte Kinderlähmung und hinkt etwas. Aber sie kann arbeiten wie zwei. Und er? Er hat ihr nur elfhundert Peseten die Stunde

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