Meines Bruders Moerderin
lass uns darüber sprechen.
»Schon gut, Pia«, Bonet schlurfte zum Kaffeeautomaten. »Warten wir erst mal ab, das beruhigt sich schon. Und dann sehen wir weiter.« Für ihn schien in dem Moment nur wichtig, wie der Kaffee in seinen Plastikbecher blubberte. Pia wandte sich wortlos ab. »Eh, Pia«, wachte er plötzlich auf, »mach keinen Scheiß! Klar? Keine Alleingänge!« Der Fahrstuhl war gerade da und funktionierte sogar. Und enthob Pia der Antwort.
Pia packte die wenigen Berichte und Unterlagen, die sie bisher hatte, in ihren Rucksack und rief Luis Llobet an. »Hast du Lust, heute Abend zu mir zum Essen zu kommen?«
Luis holte Luft und lachte dann. »Auch, wenn du mir noch mehr versprichst, ich habe die Autopsien noch nicht abgeschlossen. Du wirst nicht viel von mir erfahren.«
»Ich brauche nur jemand, mit dem ich reden kann, Luis. Ich biete dir escalivada mit Anchovis und hinterher Spaghetti mit Knoblauch und frischen gambas . Brot, alioli , Salat und jede Menge Wein. Sehr viel mehr kann ich leider nicht.«
»Das klingt großartig. Ich könnte aber erst später kommen, ist halb zehn zu spät für dich Nordlicht?«
»Wenigstens hast du nicht Madrileña gesagt. Luis, ich bin hier aufgewachsen!«
»Deine Mutter kommt aus Madrid. Und da diniert man um acht.«
»Du hast doch keine Ahnung, Katalane. Halb elf ist früh für's Abendessen. Und außerdem konnte meine Mutter noch nie kochen.
»Aber Anselmo, dein Vater. Der machte die beste Lammleber und die besten Nierchen in Coñac im ganzen barrio .«
»So gut bin ich leider nicht. Aber du kannst jederzeit kommen. Auch um zwölf. Ich freu mich.« Sie legte auf und schluckte gegen die Tränen, die immer noch hochstiegen, wenn jemand von ihrem Vater sprach. Sie winkte Toni und Bonet zu, keiner von den beiden sah her, nur Sanchez machte hektische Handzeichen, die wiederum sie übersah.
Als Erstes brauchte sie etwas Bewegung. Das regte ihre kleinen grauen Denkzellen am besten an. Sie nahm die Joaquim Pou bis zur Kathedrale hinunter, bog dann bei der Plaça de Sant Jaume nach rechts in den Carrer Ferran ein. Da war mal wieder wegen einer der unendlichen Baustellen für den Autoverkehr gesperrt. Man musste nicht hinter den Eisenpollern auf dem Gehweg bleiben, sondern hatte die ganze schmale Fahrbahn für sich. Touristen mischten sich mit einkaufenden Hausfrauen, herumstromernden Jugendlichen und Geschäftsleuten. Cafés, Bars und Andenkenläden zwischen Handwerksbetrieben, winzigen Supermärkten, Apotheken, Eisenwarengeschäften und Designerläden. Pia sah in einem Schaufenster witzige Kerzenhalter aus geraden Stücken und einzelnen oder doppelten Gelenken ganz normaler Wasserrohre. Sie blieb kurz stehen. Das könnte sie nachmachen. Poppige Metallicfarben und dann an die Wand über ihrem roten Ledersofa. Sie überquerte die Ramblas und ging nach rechts zur Boquería hinüber. Das war eins der vielen Dinge, die sie an Barcelona liebte. Jedes Viertel hatte seinen Markt. Jeder war anders, aber jeder war ein Erlebnis. Die Boquería an den Ramblas war der berühmteste und, wie sie fand, einer der schönsten Märkte der Welt. Selbst um diese späte Stunde leuchteten die Gemüse- und Obststände noch wie frisch aufgefüllt.
Sie fand schnell, was sie brauchte. Violette Auberginen, tiefrote Tomaten, goldene Zwiebeln, blauen Knoblauch. Frische gambas und ein Töpfchen boquerones , vor wenigen Stunden in Olivenöl, Zitrone und Knoblauch eingelegte Sardellen. Brot und Wein. Alles andere hatte sie zu Hause.
Zurück zum Pati Llimona ging sie schnell. Der Rucksack war jetzt voll und schwer. Unter den Sonnenschirmen vor dem Seniorencafé winkte Juliana. Hier gab es Kaffee, Kuchen und alles andere fast umsonst, aber man kam nur rein, wenn man über fünfundsechzig war, oder wenn man von einem der Oldies eingeladen wurde Pia wollte schon mit höflichem Winken vorbeigehen, als ihr einfiel, dass die alte Juliana hier die Katzenmutter genannt wurde. Sie hatte sicher einen Katzenkorb.
Es dauerte eine gute Stunde. Sie musste einen Kaffee annehmen. Dann mit Juliana hinauf in ihre Wohnung steigen. Ihr ein bisschen helfen, ein bisschen aufräumen, eine Kanne aus dem hohen Regal holen und ihre beiden Kätzchen bewundern. Aber als sie ging, hatte Pia außer ihrem Rucksack und den Tüten auch einen Katzenkorb der Luxusklasse, Streu, Futter. Und Milch. Aber nur für den Anfang, erwachsene Katzen bekommen sonst leicht Durchfall, und jede Menge anderer Katzenweisheiten.
»Na komm schon«,
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