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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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anderen Straßenseite. Der Mann war verschwunden.
    »Ja, natürlich. Ich habe ein ganz privates Anliegen. Hat nichts mit dem Brand zu tun.« Hoffe ich wenigstens, dachte sie.
    Dagmar schien zu überlegen. »Und hier sind keine Fotografen, Reporter, Fernsehkameras?«
    »Ich hab nichts bemerkt. Und ich stehe hier seit einer guten halben Stunde.«
    »Sie sind nicht hier, weil jemand Sie angerufen hat?«
    »Nein! Oder na ja, mein Sohn hat mich angerufen.«
    »Egal«, Dagmar machte eine kleine Handbewegung, als wollte sie eine Mücke verscheuchen und ging zum Eingang.
    An der Nachtpforte verlor Dagmar ihre Unsicherheit. »Guten Abend. Mein Name ist Dagmar Warwitz. Ich komme im Auftrag der Anwaltskanzlei Fusté. Bei Ihnen liegt eine gewisse Barbara Dyckhoff. Sie ist unsere Klientin. Ich möchte sie besuchen.« Sie hielt ihren Ausweis hin. Der Wachmann ließ sie durch, er hatte nur die Hälfte verstanden.
    Dagmar steuerte furchtlos auf die verglaste Empfangstheke zu, hinter der eine bullige Krankenschwester mit Hornbrille Nachtdienst hatte.
    Janet hielt Dagmar zurück. »Warten Sie. Soweit ich gehört habe, ist diese Barbara nur eine kleine Taschendiebin. Ist sie wirklich die Klientin vom großen Fusté?«
    »Na ja, ich soll sie davon überzeugen. Er geht wohl davon aus, dass sie noch keinen Anwalt hat.«
    »Und er sieht die wunderbare Publicity.«
    Deutlicher konnte man das nicht ausdrücken. Dagmar lächelte gequält.
    Janet grinste beruhigend zurück. »Dann lassen Sie mich das machen. Mein Spanisch ist vielleicht etwas besser. Und ich kenne die Katalanen. Sie sind preußischer als die Preußen. Als Anwältin ohne schriftlichen Antrag kommen Sie hier nicht weiter. Im Gegenteil, das würde Sie sofort stoppen.«
    Dagmar schaute zu dem Nachtdienstdragoner, hinaus auf die um die Zeit fast ausgestorbene Promenade und wieder zu Janet. »Sie sind doch nur auf eine gute Story aus!«
    »Und Sie auf eine gute Klientin. Was ist daran so schlimm?«
    Dagmar überlegte kurz, hob die Schultern und lächelte. »Na schön. Kobra, übernehmen Sie .«
    Janet ging an den Schalter. »Guten Abend. Bei Ihnen liegt eine Patientin mit dem Namen Barbara Dyckhoff. Mein Name ist Johanna Dyckhoff. Ich bin ihre Tante. Und hier ist Dagmar, ihre Patentante. Wir wollen unsere kleine Babsi sehen. Wie geht es ihr? Wird sie durchkommen?«
    »Aber ja, ganz sicher!« Der Nachtdragoner schmolz. »Wie schön, dass sich endlich jemand um sie kümmert, sie ist ja ganz allein. Linker Flügel, zweiter Stock. Zimmer zweitausendvier. Da drüben ist ein Lift.« Sie gab ihnen rosa Besucherkärtchen. Janet und Dagmar bedankten sich und gingen hastig zum Lift. Ein grauer Stahlkasten, groß genug für zwei Liegen oder drei Rollstühle. Sie waren allein. Erst als sie drin waren und die Türen sich schlossen, lachten sie laut auf.
    Die Schwesternstation im zweiten Stock war nicht besetzt. Es war ruhig bis auf vereinzeltes Stöhnen. Grelles Neonlicht. Ein breiter Gang in hellgelb mit dunkelgrünen Handläufen an der Wand. Die Türen der meisten Zimmer standen offen. Innen Dämmerlicht. Zwischen den Betten lagerten ganze Familien, in einigen Zimmern flimmerte ein Fernseher hoch an der Wand.
    Janet hatte für einen Moment Eric und seine Freunde vergessen. Ihr Jagdfieber war erwacht, sie ging voran, Dagmar folgte ihr. 2004. Das Zimmer war das letzte am Ende des Flurs. Die Tür war geschlossen. Davor saß ein uniformierter Polizist. Er stand auf, als sie näher kamen.
    »Wer sind Sie? Wohin wollen Sie?«
    »Ich bin Johanna Dyckhoff« , Janet blieb bei ihrer Story. »Und das ist Dagmar, ihre Patentante. Unsere kleine Nichte Barbara liegt hier drin.«
    »Sie können da nicht rein.« Der Polizist machte sich bereit und hielt die Hand in der Nähe seiner Pistole. Er war jung, noch keine zwanzig. Ein erstes Bärtchen kümmerte über letzten Aknepickeln. Schweißperlen auf der Oberlippe.
    Janet nahm ihre Gutsherrenhaltung ein. »Ich glaube, ich kenne dich. Wie heißt du, mein Junge?«
    »Miguel Ribas. Ich kenne Sie nicht.«
    »Aber ich kenne deine Mutter. Maria! Richtig?! Ribas war ein ländlicher Name und hier hießen unendlich viele Frauen Maria. Das war eine gesunde 60:40-Chance. »Natürlich! Maria Ribas!«
    Der junge Polizist war plötzlich sehr verlegen. »Rita Maria Ribas-Soler.«
    »Ja, genau. Wie geht es ihr. Ich habe sie so lange nicht mehr gesehen?«
    »Sie ... Sie lebt nicht mehr. Sie ist ... Wir sind acht Kinder zu Hause. Und vor zwei Jahren ist sie ... Als sie meine

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