Meines Bruders Moerderin
kleine Schwester ... es ging was schief bei der Geburt ...«, er schluckte. Neben ihr zog Dagmar die Luft ein und machte eine Bewegung, als wollte sie den Jungen umarmen.
Janet schob sich schnell dazwischen. »Das tut mir sehr Leid. Es ist schrecklich, die Mutter zu verlieren. So wie unsere kleine Barbara. Sie hat niemanden mehr auf der Welt. Außer ihren beiden Tanten.«
Sie hatte ihn. Er nickte. Tränen in den Augen. Und machte einen Schritt zur Seite, um sie durchzulassen.
»Das darf doch nicht wahr sein!« Janet fuhr herum. Hinter ihr stand Josep Bonet, hager und krumm, sie hatten ihn nicht gehört. »Sie schrecken ja vor nichts zurück, nur um eine Schlagzeile zu bekommen.«
»Ich habe doch nur ...«
Bonet ließ sie nicht aussprechen. »Sie haben gelogen. Dreist und feist. Und dumm dazu. Sie konnten sich doch denken, dass wir die Klinik überwachen.« Er grinste plötzlich. »Ich hab Sie nach seiner Beschreibung sofort erkannt.«
»Ah ja, der Typ auf der anderen Straßenseite. Für mich sah er aus wie ein Wegelagerer und Vergewaltiger.«
»Ich werde es ihm ausrichten. Wird ihn freuen. Und jetzt verschwinden Sie bitte. Und nehmen Sie Ihre Kollegin mit!« Er ging an Miguel Ribas vorbei, ohne ihn anzusehen. »Wir sprechen uns noch!«
Der Junge reckte sich und starrte sie hasserfüllt an. Janet wandte sich ab und nahm an, Dagmar würde hinter ihr herkommen.
18
Dagmar folgte Bonet. Miguel Ribas wollte sie aufhalten. »Nein!« Sie ging weiter, und er packte sie verzweifelt am Arm. »Nein! Sie dürfen nicht da rein! Sie haben gehört, was er gesagt hat!
»Fassen Sie mich nicht an!« Dagmar schlug seine Hand zurück und stand mit drei Schritten neben Bonet, der gerade die Klinke zum Krankenzimmer runterdrückte. »Mein Name ist Dagmar Warwitz. Ich komme von der Kanzlei Jaime Bartolo Fusté. Wir sind die Anwälte von Barbara Dyckhoff. Und Sie werden kein Wort mit ihr wechseln, ohne dass ich oder ein anderer Anwalt unserer Kanzlei anwesend ist. Ist das klar?«
Bonet verdrehte nur die Augen und ging ins Krankenzimmer. Sie blieb bei ihm und schob hinter sich die Tür wieder zu.
Es war ein Vierbettzimmer, aber nur das Bett am Fenster war belegt. Das Mädchen sah aus wie höchstens fünfzehn. Bleich und eingefallen. Die Haare über der Stirn und die Wimpern waren versengt. Zwei dick verbundene Hände. Schläuche in der Nase und im Arm, ein Gestell mit Infusionsbeutel neben ihrem Bett. Eine dunkelhäutige Schwester mit blondiertem Rastakopf kontrollierte die Werte. »Sie ist über den Berg. Ein starkes Mädchen. Vor acht Stunden sah das noch ganz anders aus. Aber es ist doch nicht so schlimm. Sie schafft es. Bleiben Sie nicht so lang. Sie braucht vor allem Ruhe.« Sie ging hinaus und ließ die Tür wieder offen.
Bonet blieb neben dem Bett stehen und berührte vorsichtig die dick verbundene Hand mit dem Infusionsschlauch. »Frau Dyckhoff. Verstehen Sie mich? Können Sie mich hören?«
Das Mädchen bewegte sich nicht.
»Mein Name ist Josep Bonet von der Kriminalpolizei. Mordkommission. Ich würde gern hören, was Sie über den Tod von Robert Reimann wissen.«
Keine Reaktion.
»Frau Dyckhoff. Sie kannten Reimann. Sie waren zur Tatzeit bei ihm, und Sie sind mit seinem Porsche geflohen. Das sieht nicht gut für Sie aus. Aber wenn Sie jetzt mit uns kooperieren, kann ich Ihnen helfen.«
»Sagen Sie nichts.« Dagmar hätte diesen widerlichen Bonet gern rausgeworfen. »Kein Wort. Ich bin Dagmar Warwitz von der Kanzlei Fusté. Ich bin Ihre Anwältin.«
Schweigen.
Plötzlich zitterten die Augenlider. Öffneten sich. Große, traurig-dunkle Augen hinter nackten Lidern. »Verfickt euch. Aber sofort. Und zwar alle beide!«
»Ganz ruhig«, Bonets Hand lag immer noch auf ihrem Verband. Dagmar zog sie weg.
»Sie haben doch gehört. Verficken Sie sich!« So ein Wort hatte Dagmar noch nie ausgesprochen, aber es hatte etwas Befreiendes. »Verficken, kapiert?!«
Bonet stand zögernd auf. »Sie kommen mit!«
»Nein, ich bin ihre Anwältin. Ich bin befugt, unter vier Augen mit ihr zu sprechen. Ich kümmere mich um ihre Rechte. Offenbar als Einzige.«
»Aber wir ...«
»Raus jetzt!« Sie ließ ihn nicht weiter sprechen, sie musste diesen seltenen Moment absoluten Selbstvertrauens nutzen. Sie schloss die Tür hinter ihm.
Barbara beobachtete sie. »Du kannst dich auch gleich mit verpissen. Ich hab kein Geld.«
Dagmar zog sich einen Stuhl heran. »Ich arbeite mit Jaime Bartolo Fusté zusammen. Er ist im Moment Barcelonas
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