Meines Bruders Moerderin
war auf Mallorca für sie nicht zu verdienen, also ging sie nach Madrid, machte ihre letzten Abschlussprüfungen und zog als in Spanien zugelassene Rechtsanwältin nach Barcelona.
Als das Telefon wieder läutete, nahm sie sofort ab. » Diga? «
»Guten Abend, Manel Bach hier. Gibt's was Neues?«
»Nein, nicht in der Brandstiftungssache. Ich habe eine andere Frage.« Sie atmete tief durch. »Was würde eine Observation auf Mallorca kosten? Etwa drei bis vier Tage.«
»Ein Klient?«
»Nein. Es wäre privat, für mich.«
»Oh. Ja, da würde ich Ihnen natürlich einen Kollegenpreis machen. Achthundert bis tausend Euro und die Spesen. Aber ich kann jetzt nicht weg. Ich könnte Jordi für Sie hinschicken. Er ist noch jung, aber sehr begabt und zuverlässig.«
»Zum gleichen Preis? Verstehen Sie, Manel, ich will nicht handeln, aber meine Mittel sind sehr begrenzt.«
»Das verstehe ich sehr gut. Mir geht's aber leider genauso. Sechshundert für zwei Tage?«
»Ja, einverstanden. Ich schicke Ihnen die Unterlagen gleich morgen rüber. Danke.« Dagmar fühlte sich wie von einer Last befreit. Sie legte auf, und das Telefon läutete sofort wieder.
»Ja?«
»Entschuldigen Sie bitte den späten Anruf. Aber es ist sehr wichtig. Mein Name ist Janet Howard. Es geht um ...«
»Sie sind die Kriminal-Kolumnistin?«
»Ja, ich habe ein etwas seltsames Anliegen ...«
»Es geht um diese Brandstiftung? Mord oder Doppelmord? Stimmt's?! Wer hat Sie angerufen?« Dagmar war wütend, Fusté hatte offensichtlich die Medien schon verständigt, noch bevor sie ihre Klientin getroffen hatte.
»Ich verstehe Sie nicht ganz.« Janet Howard schien verwirrt. »Ich rufe an wegen dieser ...«
»Hören Sie«, Dagmar unterbrach sie nervös. »Ich habe jetzt leider keine Zeit, ich muss sofort los, ins Hospital del Mar. Wir können uns dort treffen und reden dann. Einverstanden?« Sie wartete die Antwort nicht ab.
Sie merkte, dass sie zitterte. Die Akten, die Unterlagen, bloß nichts vergessen. Duschen, Haare waschen? Keine Zeit mehr. Sie versuchte, die kurzen Locken glatt zu bürsten, aber bei der feuchten Hitze sprangen sie immer wieder zu einer blonden Afrokrause hoch. Oh Gott, Fernsehen, Kameras. Alle würden da lauern. Sie tuschte ihre blassen Wimpern und bekam das Zeug prompt ins Auge. Kein Lippenstift. Was sollte sie nur anziehen. Millionen Frauen stöhnten über einen leeren Schrank, aber ihrer war es wirklich. Das Leinenkostüm. Viel zu heiß. Für die Hose mit Weste war sie nicht schlank genug, und seriös war das auch nicht. Egal. Bequeme Schuhe, Beuteltasche und nichts wie los. Halt! Noch mal zurück. Fenster auf, Radio aus. Geld! Wo hatte sie die Streifenkarte? Die Schlüssel!
Auf der Treppe rutschte sie fast aus. An der Tür zur Nachbarwohnung hing ein gelber Papierstreifen. Das hieß, sie sollte reinkommen, die Señora Negre brauchte etwas. Dagmar schaute schnell weg. Blau hieß: Ich würde gern bei einem Sherry mit Ihnen plaudern . Grün hieß: Kommen Sie doch vorbei, sobald Sie Zeit haben . Gelb: Ich habe ein Problem! Aber nur Rot war wirklich dringend. Und selbst dann wäre sie weitergerannt. Schon bei dem Gedanken hatte sie ein schlechtes Gewissen.
17
Ein extrem fetter Vollmond verwandelte das Meer in flüssiges Gold. Die Lichter der Strandpromenade setzten matte Reflexe. Auf einem winzigen Handtuch ganz vorn am Wassersaum verschmolzen zwei junge Leute zu einem. Aus den beiden nächsten Diskos hämmerten die Bässe. Heavy Metal und Techno überlappten sich. Kein Lüftchen bewegte die schlappen Palmwedel.
Janet stand jetzt schon seit einer halben Stunde vor dem Krankenhaus. Sie wollte nicht allein reingehen, sie hatte Angst, Dagmar Warwitz zu verpassen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie aussah.
Die riesige Glasfassade am modernen Vorbau der früheren Kurklinik hatte sich den ganzen Tag über aufgeladen und strahlte die Gluthitze jetzt ab. Auf der anderen Straßenseite stand schon seit ein paar Minuten ein Mann und starrte zu ihr herüber. Die Gegend hier hatte die höchste Überfallrate in der ganzen Stadt.
Ein Taxi hielt, eine rundliche Blondine mit Krusselhaar zahlte und stieg aus, rannte aber sofort schreiend hinter dem anfahrenden Taxi her, riss die hintere Tür auf und schnappte sich eine unförmige Beuteltasche vom Rücksitz.
Sie blieb stehen und sah sich um. Bemerkte den Mann auf der anderen Straßenseite, musterte ihn.
Janet machte einen Schritt auf sie zu. »Dagmar?«
»Sind Sie allein?« Misstrauischer Blick zur
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