Meines Bruders Moerderin
einem Fall nicht einfach zu Hause hocken und pennen! Ich brauch dich hier! Sofort!« Sie hörte Lärm im Hintergrund.
»Wo? Um was geht es?«
»Die Mörderin. Barbara Dyckhoff. Hospital del Mar. Hier ist die Hölle los!«
20
Sie wachte von den Schmerzen auf. Es war kaum auszuhalten. Und mit ihren kaputten, bandagierten Händen konnte sie nicht mal die Klingel für die Schwester drücken. Den ganzen verdammten Tag lang war es hier gleißend hell und die Tür stand offen. Jeder, der vorbeikam, konnte reinglotzen. An erster Stelle dieser dämliche Pickelpolizist.
Und jetzt, wo sie dringend Hilfe brauchte, war es dunkel, und die Tür war verschlossen. Sie wusste nicht einmal, wie spät es war. Sie versuchte zu schreien, brachte aber nicht viel mehr als ein heiseres Krächzen hervor.
Barbara sah die unförmigen Bandagenarme auf ihrer Brust. Ihre Kunst, ihr ganzes Leben basierte auf der Fertigkeit ihrer Hände. Kurz vor seinem Tod hatte Paco ihre Ausbildung beendet und es ihr bestätigt, sie war die Beste. Sie hatte die Verbrennungen gesehen, sie fühlte die Schmerzen. Sie hatte alles verloren. Sie dachte an diesen langen dünnen krummen Polizisten, der sie am Arm gepackt hatte. Sie hätte vor Schmerzen schreien können. Und diese dicke Dame, die sich bei ihr eingeschleimt hatte, die ihre Schwäche ausnützen wollte, die behauptete, ihr zu glauben und ihre Anwältin zu sein. Lügen. Sie logen alle. Die Wahrheit war wie immer in ihrem Leben: Du bist allein. Und wenn du dich nicht selber rettest, dann bleibst du in der Scheiße stecken.
Ich muss hier raus, dachte sie. Draußen kann ich irgendwie überleben. Oder auch nicht. Aber hier drin verrecke ich zu ihren Bedingungen.
Sie setzte sich auf, zog mit den Zähnen das Infusionskabel aus dem Arm, lockerte auf die gleiche Art den Verband und schüttelte ihn ab.
Kühle Luft. Die Schmerzen ließen für einen Sekundenbruchteil nach, um dann umso gemeiner zurückzukommen. Ihre Finger waren dick, rot und formlos und hatten fast keine Haut mehr. Aber sie waren noch da. Sie befreite auch die andere Hand. Die Schmerzen ließen etwas nach, wenn sie die Hände nicht bewegte.
Sie wartete, setzte sich dann langsam auf. Sie war nackt. Unter so einem hinten offenen Krankenhaushemd. Keine Schuhe.
Neben dem Waschbecken stand ein Schrank. Barbara schob sich vorsichtig hoch und schluffte hinüber. Die rechte Hand schien etwas weniger verbrannt, sie zog mit ihr die Tür auf. Schmerzen schossen wie flammende Raketen bis hinauf in ihre Schulter. Sie hechelte, bis sie wieder klar sehen konnte.
Auf einem Bügel hing das Longshirt, das sie angehabt hatte, als sie bei ihr eingebrochen waren. Keine Hose, keine Schuhe. Barbara schüttelte den Krankenhauskittel von den Schultern, schaffte es, sich das T-Shirt überzuziehen und setzte sich hin, bis sie wieder Luft bekam.
Barbara hatte kein Ziel und keinen Plan. Sie wusste nur eins, hier war sie gefangen. Sie musste raus. Zurück auf die Straße. Sie musterte die Möbel im Zimmer. Die Querstange am Infusionsgalgen schien nur lose eingehakt. Sie riss sie herunter und trat mit dem Fuß die Schläuche ab. Jetzt hatte sie eine ganz brauchbare Waffe. Das Metall lag schwer und kühl in ihrer Hand.
Sie ging zur Tür und zog sie langsam und vorsichtig auf. Der Pickelbart vor ihrem Zimmer war eingeschlafen. Sein Kopf hing schief herunter, aus einem Mundwinkel lief ihm der Sabber auf die dunkelblaue Uniformhose.
Barbara huschte an ihm vorbei und lief weiter, den Gang entlang. Die hell erleuchtete Schwesternstation. Zwei Leute, die dunkle Rastafrau und ein blonder Hüne. Kaffeeduft. Sie lachten. Barbara bückte sich unter dem Fenster hindurch.
Sie schaffte es ungesehen bis ins Treppenhaus. Die Hände kreischten vor Schmerz, aber die Beine und Füße waren soweit okay. Sie nahm die Treppe. Als sie im ersten Stock ankam, hörte sie schon den Lärm.
»Halt, stehen bleiben!« Pickelbart trampelte hinter ihr her, mit ihm der Hüne und die Rastafrau.
Barbara lief weiter nach unten.
»Stehen bleiben, oder ich schieße.«
Dann schieß doch, dachte sie und rannte schneller. Sie kam unten in der Halle an und erkannte sofort ihre Chance. Alle waren rechts in der Haupthalle. Fernsehen, Presse, Polizei, Scheinwerfer, Blitzlichter, Stimmen schrien durcheinander. Nach links zum Nebeneingang.
Sie hätte es fast geschafft.
Aber die Tür war verschlossen, und als sie sich umdrehte, stand Pickelbart schon mit gezogener und entsicherter Pistole direkt hinter ihr. Er
Weitere Kostenlose Bücher