Meines Bruders Moerderin
Menge Wein, Cava und Fritz. Einverstanden?« Janet und Dagmar nickten vom Rücksitz. Pia wandte sich wieder an den Fahrer.
»Pati Llimona. Da kommen Sie nicht hin, aber Sie können uns an der Plaça Regomir rauslassen.«
III. Tapas, Tod & Vino Tinto
22
Glück. Sommersonne flutete durch die breiten Flügelfenster der Villa in Grünwald. Dagmar lag auf dem Sofa und hielt die kleine Sarah im Arm. Strich ihr über das seidenweiche Haar. Der Traum war wunderschön, sie wollte ihn festhalten. Sie lag schief, eine Armlehne drückte ihr in die Rippen, Sarah war erstaunlich leicht. Es war kein Traum, und es war nicht Sarah.
Fritz the cat sprang von ihrem Bauch, als er Geräusche in der Küche hörte. Dagmar setzte sich steif auf. Tiefviolette Bougainvilleablüten und darüber blassgelbe Wolkenstreifen an einem silbernen Himmel. Die Dächer lagen noch im Schatten, nur die obersten Spitzen der Kathedrale blinkten in der ersten Sonne. Früher Morgen über Barcelona.
Dagmar kratzte sich. Pia hatte ihr eine leichte Decke gegeben, aber an Hals und Armen hatten die Mücken sie reichlich erwischt. Sie stand auf und reckte sich. Steif, zerstochen und nach höchstens zwei Stunden Schlaf kaum erholt, fühlte sie sich seltsam frisch und ruhig.
»Guten Morgen«, Pia kam mit Kaffeeduft und einem Tablett aus der Küche und begann, den Terrassentisch zu decken. Ihre roten Haare waren noch dunkel vom Duschen, sie trug Jeans und T-Shirt, heute in rot und weiß. »Bisschen kurz, die Nacht«, sie lachte.
»Hast du noch aufgeräumt, gestern? Wo sind die ganzen Flaschen?« Dagmar erinnerte sich, dass sie zuerst Cava und dann Rotwein getrunken hatten.
»Mach mal bitte einer das Licht aus!« In der Tür erschien blinzelnd eine ziemlich zerknautschte Janet. Sie hatte im Wohnzimmer auf dem Sofa geschlafen, und man sah ihr Alter deutlich. Wenn sie relativ kurz nach dem Krieg schon in den Windeln gelegen hatte, musste sie jetzt mindestens Mitte fünfzig sein. Sie sah irgendwie typisch englisch aus. Dünn, zäh und tropengehärtet. Gestern hatte sie nach dem ersten Glas vom Cava zum Whisky gewechselt und lebte noch. Gestern, das war vor drei Stunden. ,
Pia sah aus, als wäre sie schon einmal um die Stadt gejoggt. Dagmar schätzte sie auf etwa gleichaltrig, Mitte dreißig. Aber an ihr war kein Gramm Fett zu viel. Ihr etwas untersetzter Körper war durchtrainiert, straff und fit. »Ihr könnt duschen oder auch baden. Ich habe euch Handtücher rausgelegt. Mit Klamotten dürfte es etwas schwieriger sein.«
»Ich hab selber eine Dusche«, Janet setzte sich vor die Kaffeekanne. »Darf ich?«
Dagmar :ging hinein, wusch sich oberflächlich und putzte sich die Zähne mit dem Finger. Sie sah ihr verquollenes Spiegelbild. Sie konnte unmöglich duschen und danach das verschwitzte Zeug von gestern anziehen. Fusté kam nie vor zehn in die Kanzlei, da blieb ihr noch reichlich Zeit, heimzugehen, zu duschen, sich umzuziehen und die Unterlagen zu überarbeiten. Als sie auf die Terrasse zurückkam, hatten Pia und Janet schon angefangen. Kaffee, Orangensaft, geröstete Brotscheiben mit Tomate und rohem Schinken. Fritz lag lang ausgestreckt zu Pias Füßen.
Dagmar merkte, dass sie Hunger hatte und griff zu. »Schmeckt ja extrem fein. Salamanca? Pia, du bist eine großartige Gastgeberin.«
»Dafür sind wir Katalanen berühmt.«
»Da mag was dran sein«, Janet nahm sich den dritten Kaffee. »Und wie steht's mit eurer Paragraphengläubigkeit?«
»Ich bin nur hier aufgewachsen, meine Gene sind mehr gesamteuropäisch.« Pia nahm sich noch ein Brot. »Um was geht's?«
»Die beiden Marokkaner«, Dagmar erinnerte sich plötzlich wieder. Das war der Grund gewesen, weshalb Janet sie überhaupt angerufen hatte. Sie hatte es über der ganzen Krankenhausarie völlig vergessen, aber nach dem vierten Whisky auf Pias luftiger Dachterrasse war Janet darauf zurückgekommen.
»Genau«, Janet übersah die Brote und nahm sich nur Kaffee. »Saïd und Mustaf.«
»Sie haben den Porsche geklaut, den Barbara von Reimanns Haus mitgenommen hatte.« Pia erinnerte sich nicht so genau, den Fall hatte Toni bearbeitet. »Es sind Illegale.«
»Darum geht es nicht«, Dagmar versuchte, ihren schwammigen Kopf zur Arbeit zu zwingen. »Wir wissen nicht, wie Barbara zu Reimann stand. Vielleicht hat er ihr die Schlüssel mitsamt dem Porsche ja gegeben. Vielleicht war oder glaubte sie sich auch in höchster Lebensgefahr. Wir wissen noch nicht genug. Fest steht, sie war schwer verletzt und außer
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