Meines Bruders Moerderin
der noch glänzte. Dagmar hockte sich hin und kratzte mit ihrer Nagelfeile ein paar Krümel davon auf ein Stück Papier, faltete es zusammen und nahm noch eine weitere Probe von ähnlichen Flecken neben dem Fundort von Barbara. Direkt neben dem riesigen Blutfleck von Yolanda. Und einen neben dem Waschbecken. Vertrocknet, aber doch noch etwas feucht. Oder doch nicht? Es war so sinnlos.
Die Beschließerin räusperte sich, und Dagmar stand auf. »Danke. Sie haben mir sehr geholfen.« Sie ging hinaus. »Hier gibt es nichts mehr zu sehen.«
38
Na endlich!« Vorwurf, Empörung. Luis Llobet hockte mit einem Taschenbuch von Patricia Cornwell auf den Stufen zur Eingangstür von Llimona 5. Er kniffte die letzte Seite ein, stand auf und klopfte sorgfältig seine Hose ab, deren Material einen so hohen Plastikanteil hatte, dass sowieso kein Schmutz hängen bleiben konnte.
»Luis! Am helllichten Nachmittag! Sag bloß, du hast Yolanda Modal schon untersucht!« Pia kramte nach ihrem Schlüssel.
»Ah, wie schön, du warst einkaufen!« Er nahm Pia die prallen Tragetüten ab und begann zu stöbern. »Katzenstreu, Katzenfutter, Katzenvitamine. Was soll das?! Kein Wein, kein Brot, keine gambas , kein gar nichts!«
»Du wirst schon nicht verhungern«, Pia hatte endlich den Schlüssel gefunden, schloss auf und ging vor Luis her über den Innenhof zum Fahrstuhl. Sie freute sich, dass Luis zu ihr kam. Ein kleines Trostpflaster auf den Frust im Präsidium. Bonet hatte sie zwar mit hinaus zum Frauengefängnis genommen, aber Toni hatte mit einer Beschwerde gedroht, wenn sie weiter mitmischen sollte. Sie war raus und das endgültig. Sanchez-García hatte sich bisher relativ fair verhalten, aber Bonet hatte ihr klargemacht, dass sie nicht ewig damit rechnen konnte. Und, verdammt noch mal, alle Indizien deuteten darauf hin, dass Barbara ihre Krankenpflegerin Yolanda getötet hatte.
»Ich war noch nie hier, seit eurem Umbau. Ich bin ja schon sehr gespannt. Ich wusste gar nicht, dass du so viel Platz hast! Josep hat mir das erzählt. Der geht hier scheint's ein und aus.« Leicht giftiger Unterton, »und dass deine Kolleginnen durchaus kompetent sein sollen. Vor allem die eine hat's ihm wohl angetan.« Hämisches Kichern. Wenigstens erwartete er keine Antwort.
Pia hätte gern erst mal eine halbe Stunde für sich gehabt, um ihre Gedanken zu ordnen. Sie hatten Yolanda gemocht, und sie hatten an Barbara geglaubt. Und jetzt schien alles plötzlich wieder so falsch. Sie hätte gern mit Dagmar gesprochen, aber sie geriet immer nur an die Mailbox. Sie schloss die Wohnungstür auf. »Janet?« Keine Antwort. Pia klapperte mit den Schlüsseln. »Fritz, mein Süßer!«
»Gibt es da jemanden, den du mir bisher verschwiegen hast?« Luis sah Pia kurz von der Seite an, schob sich an ihr vorbei, lud die Plastikbeutel in der Küche ab und machte sich daran, den Kühlschrank und das Weinregal zu durchsuchen.
Pia lief durch die Wohnung, über die Terrasse und in den neuen Büroteil. Sie rief nach Fritz, sie machte Schmatzgeräusche und schaute an allen seinen Lieblingsplätzen nach. Sie bückte sich unter Sessel und Sofas und lauschte nach seinem Mienzen. Nichts. Dann fand sie das Memo von Janet. Sie las es kaum durch. Janet, die Katzenhasserin. Natürlich. Pia riss die hintere Wohnungstür auf. Das Treppenhaus war leer. Der Lichthof darüber von matter Sonnenglut erfüllt. »Fritz! Fritzchen Garfield!« Nichts. »Fritz, mein Süßer, komm her, komm!« Die Antwort war so dünn und kläglich, dass Pia zuerst überzeugt war, sich getäuscht zu haben. »Ja? Süßer, wo bist du?« Das zweite Mienzen kam etwas kräftiger. Und dann entdeckte sie ihn.
Hoch oben über dem Lichtschacht war ein Rundfenster. Sehr viel früher einmal war der Schacht wohl offen gewesen, dann hatte man eine Art winziger Glaskuppel darauf gesetzt. Das Glas war verdreckt und hatte Sprünge, und auch die Seitendichtung ließ Wind und Regen durch. Aber für einen Kater bildete das Ganze ein undurchdringliches Hindernis.
Fritz hockte auf einem schmalen Sims, direkt unter dem Fenster. Es war nicht ganz ersichtlich, wie er da hinaufgekommen war, denn bis zwei Meter unter ihm war die Mauer glatt verputzt. Darunter traten die Mauerquader deutlicher hervor, und es gab auch eine Art Leiter aus rostigen Eisengriffen.
Pia rannte in die Wohnung zurück, zerrte die Klappleiter aus dem Schrank, packte ein Seil und fand die dünne Schnur mit dem Widerhaken, mit der man verlorene Eimer aus der Zisterne
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