Meines Bruders Moerderin
Gitterfenster schien die Sonne. Es war heiß, aber Hitze war gut für die Hände. Und heute war Freitag. Yolandatag. Yolanda kam dreimal die Woche ins WAD RAS, aber nur zweimal durfte sie sich um Barbara kümmern. Dienstag und Freitag. Das waren die wahren Glückstage.
Inés Alvarez litt seit Jahren unter extremen Rückenschmerzen, und kein Arzt konnte ihr helfen. Yolanda hatte sie nach vier Tagen schmerzfrei. Inés war so glücklich, dass sie so ziemlich alles für Yolanda getan hätte. Sie ließ sie einen Reha-Raum in der Klinik einrichten, angeblich für die Gefangenen, aber in Wirklichkeit erst mal für sich selbst. Es gab eine Massageliege, einen Ergometer, ein Laufband, und verschiedene andere Trainingsgeräte, und alle anderen notwendigen Hilfsmittel. Keine Woche, und alles war bewilligt, bezahlt und geliefert. Ein Wunder.
Yolanda hatte es geschafft, dass das zweite Bett in Barbaras Zelle leer blieb. Sie hatte dafür gesorgt, dass Barbara das Essen vorgeschnitten bekam, und vor allem behandelte sie Barbara zweimal die Woche jeweils zwei Stunden. Und sie hatte geschafft, was weder Dagmar, der freundlichen Anwältin, noch Pia, der netten Kommissarin, gelungen war: dass Teresa Morales verlegt wurde, in das neue supermoderne Frauengefängnis außerhalb der Stadt. Sie hatte nichts ausgesagt. Sie schwieg. Sie war abgebrüht. Und irgendjemand jagte ihr höllische Angst ein.
Barbara kontrollierte die Schatten der Gitter auf der vielfach übertünchten Mauer. Halb zehn etwa. Yolanda musste gleich da sein. Manchmal kam sie im Krankenhaus nicht rechtzeitig weg. Barbara legte sich noch einmal zurück. Sie war plötzlich so müde. Dann hörte sie Stimmen und das Klirren der Schlüssel. Sie richtete sich auf. Kleine schwarze Punkte vor den Augen, sie atmete tief durch.
Die schwere Eisentür öffnete sich, wieder Sol. Sie ließ Yolanda den Vortritt, fast sah es aus, als würde sie sie von hinten anschieben.
»Hallo, Yolanda, schön, dass du da bist«, Barbaras Stimme klang schwammig wie die einer Betrunkenen. Sie musste sich an der Mauer abstützen, um nicht zu taumeln.
Yolanda lächelte nicht. Ihre Augen waren weit offen, ihr Mund bewegte sich stumm, als wollte sie ihr etwas mitteilen. Sie kam herein. Sol, dicht hinter ihr, zog die Tür zu.
»Yolanda, was ...« Barbara kam nicht weiter, sie wollte sich an die Mauer lehnen, glitt mit dem Rücken an den zigfach überschmierten Steinquadern zu Boden, »Yol ... Bitte, hilf ...«, aber Yolanda konnte ihr nicht helfen. Sie hielt die leeren Hände weit vom Körper abgespreizt, und Sol drückte ihr eine Pistole in den Rücken. Schob sie weiter in die Zelle.
Barbara reagierte viel zu spät. Sie erkannte die Gefahr und stürzte sich nach vorn, fiel aber auf den Fußboden. Versuchte, nach Sol zu treten, traf aber nur die Pritsche. Sie hörte ein Lachen. Weit oben. Sol hatte keine Pistole mehr in der Hand. Nur noch eine Glasscherbe mit zackigem Rand, milchig matt vom Schleifen. Nein! NEIN!! Yolanda verstand Barbaras Schrei und warf sich herum, aber Sol reagierte schneller. Sie riss Yolanda mit einem blitzschnellen Zug die Kehle auf und sprang zurück, um von dem hellen Blutstrahl nicht getroffen zu werden.
37
Sie pfiffen und riefen ihr Obszönitäten nach. Dagmar hatte sich extra nicht geschminkt, die Haare nass nach hinten gekämmt und den schlabbernden Hosenanzug aus dunkelblauer Viskose angezogen, aber die Männer führten sich auf, als wäre sie Jennifer Lopez im Stringtanga. Der fette Beschließer ließ den Schlüsselbund jedes Mal, bevor er wieder eine der Gittertüren aufschloss, laut klirren. Es war glutheiß und stank nach Schweiß und Pisse. Aber Dagmar war glücklich.
Saïd und Mustaf mussten zwar ihre Strafe wegen Autodiebstahls absitzen, aber die Drogenstory war vom Tisch. Die Kokainspuren im Porsche stimmten eindeutig nicht mit dem Koks im Rucksack des Australiers überein. Adrian Walters hatte das Zeug in seinem Rucksack zum Weiterverkauf besorgt und offensichtlich auch selbst genommen. Total high war er auf die Fahrbahn und direkt vor den Porschekühler gerannt. Zwei glaubhafte Zeugen. Walters war wieder vernehmbar und würde auch durchkommen. Ihn erwartete eine ziemlich harte Strafe wegen Drogenhandels. Seine Eltern waren inzwischen aus Melbourne angereist und hatten für viel Geld einen Strafverteidiger engagiert.
Der Mann an der Pforte grinste breit, als der dicke Beschließer sie ablieferte. »Sie werden schon erwartet, rubia .« Dagmar lächelte
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