Meines Bruders Moerderin
freundlich, als sie so würdevoll wie nur irgend möglich durch das rappelnde Schiebetor nach draußen trat. Dann erst begriff sie, was er gesagt hatte.
Vor dem Tor stand ein schwarzer BMW mit schwarzen Zierleisten, davor ein junger Mann, mit Sonnenbrille, schwarzen Seidenpluderhosen und einem hautengen, superkurzen schwarzen T-Shirt. Er verbeugte sich und überreichte ihr eine violette Rose. »Mein Name ist Gil Azar. Ich möchte mich bei Ihnen im Namen meiner Familie ganz herzlich bedanken. Darf ich Sie irgendwohin bringen?« Er hielt einladend die Autotür auf.
Dagmar zögerte nur kurz. »Sie sind ein Freund von Eric, dem Sohn von Janet Howard?«
»Ja. Wir sind Freunde. Sie haben Saïd und Mustaf vor großen Problemen bewahrt. Die beiden haben zwar kein Geld, aber die Familien werden zusammenlegen. Wir werden Bürgen finden. Wir werden auch für Ihr Honorar aufkommen.« Gil Azar sah sie nicht an. Es war angenehm kühl im Auto. Sie hielt die Rose in der Hand. Sie war vollkommen, wie aus Plastik. Saïd und Mustaf hatten sich zwar nicht mal ansatzweise bei ihr bedankt, aber Azar und seine gestelzte Rede konnte sie noch. weniger unterbringen. Sie wollte gerade antworten, als ihr Handy piepte.
»Ja?« Es war Pia.
»Hör zu. Bleib ganz ruhig. Barbara ist angeblich durchgedreht und hat mit einer abgeschliffenen Glasscherbe ihre Physiotherapeutin abgestochen. Yolanda Modal. Wir treffen uns dort.«
Dagmar schaltete mechanisch ihr Handy aus. »Könnten Sie mich bitte zum Frauengefängnis WAD RAS bringen?« Azar nickte und bog ab. Dagmar steckte langsam ihr Handy weg. Yolanda. Die fröhliche, immer freundliche und hilfsbereite Rastaschwester. Die Spezialistin für Probleme mit dem Bewegungsapparat. Die Freundin von Barbara. Tot. Ermordet.
Es war ihre Schuld. Sie hatte Yolanda gebeten, auf Barbara aufzupassen, sie hatte ihr noch Hinweise gegeben, wie sie das am besten tun könnte. Ihr Inés Alvarez, die Chefin, genannt. Sie hatte gedacht, es sei genug, Teresa Morales in ein anderes Gefängnis versetzen zu lassen. Sie war erleichtert gewesen, weil alles so gut lief.
Hatte sie Barbara wirklich geglaubt? Oder hatte sie ihr nur glauben wollen. Sie mochte Barbara gern. Sie wollte alles für sie tun. Sie freibekommen vor allem. Sie war ihre Anwältin. Es spielte keine Rolle, ob sie ihr glaubte. Oder doch?
Zwei Polizeiautos und ein Krankenwagen. Dagmar musste an der Pforte die Tasche öffnen und ihre Legitimation vorzeigen, als hätte man sie noch nie gesehen, und sich der entwürdigenden Leibesvisitation unterziehen. Jetzt, plötzlich, wo alles zu spät war. Sie erinnerte sich nicht mehr, ob sie sich von Azar verabschiedet hatte, und was mit der Rose passiert war, es war ihr auch egal.
Hinter der Schleuse gab es einen kleinen Vorraum. Dort stand straff und hoch aufgerichtet Inés Alvarez. Schritte, leises Fluchen, Schlüsselklirren. Eine ältliche Beschließerin kam als Erste heraus und drückte sich eng an die Wand. Hinter ihr zwei Männer in weißen Insalud-Uniformen, die eine verdeckte Bahre trugen. Ihre weißen Schuhe, Hosen und T-Shirts waren blutbeschmiert. Es war eng. Dagmar quetschte sich in eine verkümmerte Topfyucca. Hinter der Bahre folgten Pia, Bonet, dieser Toni und zwei uniformierte Polizisten.
Die Beschließerin öffnete die Haupttür, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte sich Inés Alvarez auf die Bahre stürzen. Aber nichts geschah, und die Insalud-Männer trugen ihre Last hinaus. Die Tür schnappte ins Schloss.
Ein Moment der Stille. Irgendwo läutete ein Telefon, und keiner hob ab. Pia war die Erste, die sprach. »Aber das ist doch grotesk. Wieso wird die Leiche so schnell abtransportiert, wieso werden keine Spuren genommen, wieso wurde nicht mal Luis Llobet dazu gerufen?!«
»Weil es nichts zu untersuchen gibt.« Toni sah aus, als würde er in einer Fernsehserie den coolen Kommissar spielen. »Weil alles bereits geklärt ist. Barbara Dyckhoff wurde neben der toten Yolanda Modal gefunden, in ihrem Blut! Sie und niemand anders hat ihr die Kehle durchgeschnitten. Schließlich hatte sie die Tatwaffe, eine abgeschliffene Glasscherbe, noch in der Hand.«
»Und das Motiv? Yolanda war so was wie ihre Freundin!«
»Knastkoller. Außerdem müssen wir Steuergelder sparen ...«
Bonet packte Toni hart am Oberarm und schob ihn in Richtung Ausgang. »Ist ja gut«, er wandte sich Pia zu. Leise: »Ich sag's nicht gern, aber er hat leider Recht.«
»Pia!« Dagmar löste sich von der Yucca und
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