Meines Bruders Moerderin
holen konnte, und einen Korb mit langen Henkeln. »Luis, komm schnell, ich brauch deine Hilfe!« Sie lief wieder hinaus ins Treppenhaus. »Ganz ruhig, mein Süßer, ganz ruhig.« Fritz starrte sie aus riesenrunden Augen an und schwieg.
Pia stieg die Treppe hinauf bis zum letzten Absatz, klappte die Leiter auf vier Meter auf, knotete die dünne Schnur ans Seil und suchte nach einem Ziel. Dann hängte sie sich den Korb um den Hals und machte sich vorsichtig an den Aufstieg. Die Leiter schwankte bedrohlich. Unter ihr in der Tür erschien Luis, in der einen Hand ein Glas Rotwein, in der anderen eine Zigarre. »Pia, das sieht aber gar nicht gut aus!«
»Halt die Leiter fest. Okay?«
Luis überlegte kurz, dann stellte er einen Fuß auf die unterste Sprosse. »Ich finde es, gelinde gesagt, grotesk, dass du hier dein Leben für eine Katze riskierst. Und, wenn du blöd fällst, auch meins. Aber das nur am Rande. Ich wollte dir nur mitteilen, dass sich meine ersten Untersuchungsergebnisse bestätigt haben.
Pia stand jetzt auf der dritten Sprosse von oben. Die Eisengriffe kratzten bei jeder Bewegung an der Mauer entlang. Sie presste ihre Knie gegen die Seitenstreben. Am Rand des Rundfensters gab es eine Art Griff. Pia begann langsam, die Zisternenschnur zu schwingen. Zielte und warf. Der Haken prallte ans Fenster und fiel herunter. Fritz hatte sich nicht bewegt. Pia sah, dass tief unter ihr Luis leicht zur Seite wich, und rollte die Schnur erneut auf.
»Du erinnerst dich, die Obduktion der beiden Leichen Tür und Ferrari . Tür hatte Rauchpartikel in der Lunge und jede Menge Kohlenmonoxid im Blut. Ferrari weder noch. Er ist also vor dem Feuer gestorben. Keine Kugel, kein Gift, soweit ich bisher feststellen konnte. Mir werden ständig andere Fälle dazwischengeschoben.«
Pia warf ein zweites Mal, und diesmal blieb der Haken im Griff stecken. Sie zurrte ihn fest und kletterte weiter. Sie erreichte das Ende der Eisenleiter. »Fritz, mein Süßer, spring!« Fritz bewegte sich nicht.
»Meine Vermutung war aber richtig, ein Messerstich. Direkt ins Herz. Es gibt eine frische Läsion an der zweiten oberen Rippe links. Laienhaft ausgedrückt. Das ist alles, was ich habe. Aber es ist auffällig. Steht in meinem Bericht, aber den hat keiner angefordert.«
Pia hangelte sich noch ein Stück höher, Fritz wich noch weiter zurück, so weit wie möglich. Seine Augen quollen in Panik hervor. Pia zögerte nicht, packte Fritz am Hals, riss ihn herunter und stopfte ihn in den Korb. Fritz schrie, tobte und kratzte, aber Pia drückte ungerührt den Korb zu und rutschte am Seil wieder runter, bis sie auf der Leiter Halt fand.
Luis stemmte den Fuß dagegen. »Ich habe einen Kollegen an der Uni, Enrique Hernández. Er rekonstruiert Gesichter, wenn er den Schädel hat. Selbst aus Fragmenten. Am Computer. Er ist ein wahrer Künstler. Aber das interessiert im Präsidium wohl keinen mehr.«
Pia fühlte sich schwach und zittrig, als sie endlich unten ankam, hastete mit dem Korb samt tobenden Fritz in die Wohnung und schlug Luis fast die Tür vor der Nase zu, der sich noch mit den Scharnieren der Leiter abquälte und sie endlich in voller Länge durch die Tür hereinfädelte. Seine Stimme klang immer mürrischer. »An dieser Yolanda arbeitet Veronica, meine Assistentin, sehr begabt. Aber viel ist da sowieso nicht zu untersuchen. Ein brutaler Schnitt durch die Kehle. Durch bis zum Rückgrat. Von hinten, von links nach rechts. Täter also ein Rechtshänder.« Kaum zu überhörende Schadenfreude. »Aber das hilft dir auch nicht viel weiter.«
In der Küche ließ sie Fritz frei. Der witschte unter einen Schrank, wartete dort, bis der Weg frei war, und flitzte dann hinüber zur offenen Terrassentür. Es sah aus, als würde er hinken. Pia füllte seine Schüssel mit Hühnerleber und stellte sie auf die Terrasse. Füllte den Wassertopf mit Milch. Zog sich zurück und wartete. Glücksgefühl, als Fritz vorsichtig hinter dem Oleander hervorkam und sich über die Hühnerleber hermachte.
Luis hatte die Leiter besiegt und wieder im Schrank verstaut. Er deutete mit der Zigarre auf die Kratzwunden an ihren Armen. »Die müssen versorgt werden. Soll ich das machen?«
»Danke nein, noch lebe ich.«
»Oberflächliche Wunden kann ich auch bei Lebenden versorgen.«
»Er hinkt.«
»Nicht mein Bier. Veterinär bin ich nun wirklich nicht.«
»Armer kleiner Kater. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so an ihm hänge.«
»Armer kleiner Luis. Ich glaube, unter
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