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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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geforderten Summe ab. Im Waisenhaus hielt er den Rekord. Rechnete man all seine Vergehen zusammen, kam er im Alter von vierzehn Jahren auf über viertausend gebundene Schuhe   – nicht die eingerechnet, die er binden musste, um beim Gehen nicht über die eigenen Schnürsenkel zu stolpern. Wegen der vielen kleinen Narben sahen seine Hände aus wie die eines Handwerkers. Dass er, wie er bis heute glaubte, diese Zeit nur deswegen überstand, weil dieRote Frau auf dem Foto ihm Stärke einflößte, war für ihn der entscheidende Hinweis, dass sie seine Mutter sein musste.
    Außerdem leuchtete auch Alberts Haar rot.
    Sein größter Schatz war eine flaschengrüne Haarspange, an der noch zwei rostrote Haare hingen. Eins ging in Sankt Helena verloren, als er einmal mit dem Haar in der Hand einschlief und es am Morgen darauf nicht von seinen eigenen unterscheiden konnte, die sich zahlreich auf der Matratze krümmten. Das andere bewahrte er in einem schlichten, auf dem Flohmarkt erworbenen Schminkklappspiegel auf, den er stets bei sich trug wie ein Asthmatiker sein Asthmaspray. In einsamen Stunden, insbesondere auf seinen Reisen zu Fred und zurück zum Waisenhaus, strich er damit über seine Hände, und das juckte wie beim Heilen einer Wunde.
    In jenem Sommer, als Albert das Bild fand, wischte er es mit einem angefeuchteten Schwamm sauber und schob es in eine Klarsichtfolie, deren Öffnung er sorgfältig mit mehreren Lagen Tesafilm zuklebte, ehe er sie, zwischen zwei stoßdämpfenden Ausgaben der Süddeutschen Zeitung, in einer ebenfalls dem Speicher entrissenen Aktentasche aus falschem Krokodilleder verstaute, deren Reißverschluss er mit einem vielversprechenden UUUIP schloss. Damit spazierte er   – optimistisch kaugummischmatzend, wie das nur Teenager können   – zu Freds Nachbarin. Eine Töpferin namens Klondi, die mietfrei in einem großen und stark renovierungsbedürftigen Bauernhaus an der Hauptstraße wohnte. Als Gegenleistung dafür hielt sie die Räume »intakt«   – den ersten Stock von Klondis Haus durfte niemand außer Klondi betreten, weil nur sie wusste, auf welche Dielen man treten konnte, ohne im Erdgeschoss zu landen. Klondi, in deren Pass ein weniger alberner und bürgerlicherer Name gedruckt war, kümmerte sich aber,solange sie nicht bis spät in die Nacht Vasen und Kaffeeschalen und Aschenbecher mit ihren Händen formte, noch lieber um den Garten hinter dem Bauernhaus. Tagsüber konnte man sie dort selbst bei Frühlingsgewittern oder Novembernebel antreffen, wie sie einen Rhododendron umpflanzte oder die Hecke stutzte.
    »Hallo?«
    Albert stand vor einer drei Meter hohen Rosenstockpforte. Der Duft war so aufdringlich wie der Weihrauch bei Sonntagsmessen in Sankt Helena.
    »Jemand da?«
    Er zog es vor, ihren Namen nicht in den Mund zu nehmen. Es gab Wörter, die hinterließen einen schalen Nachgeschmack. Klondi war so eins, Vater ein anderes.
    »Ja, da ist jemand«, antwortete eine Thuja zu seiner Linken.
    Albert spuckte seinen Kaugummi in einen leeren Terrakottatopf und überlegte, während er der Stimme folgte, wie viele Zigaretten Klondi in ihrem Leben wohl für einen solchen Rasselbass hatte rauchen müssen. Sie kniete in einem Blumenbeet und zerteilte Nacktschnecken mit einer Gartenschere. Weißer Schleim quoll aus den zertrennten Hälften. In Klondis grimmigem Lächeln steckte eine Zigarette, ihr Haar lag in zwei Schulmädchenzöpfen gebündelt auf ihren Schultern, was kaum darüber hinwegtäuschte, dass aus dem einstigen Blumenkind Klondi schon vor langer Zeit eine Blumenfrau geworden war.
    »Kannst du mir verraten, warum ich die
mit
Häuschen verschone?«
    Albert beobachtete die sterbenden Schnecken; sie liefen buchstäblich aus. »Weil sie irgendwie freundlicher wirken?«
    »Ich würde eher sagen: Survival of the sexiest.« Klondilachte   – oder hustete, das war schwer zu unterscheiden. »Auch eine?« Sie hielt ihm eine halbleere Schachtel Gauloises hin.
    Albert schüttelte den Kopf.
    »Braver Junge. Den Kaugummi nimmst du aber trotzdem wieder mit.«
    »Häh?«
    »Dieser Bubblegum-Scheiß. Im Terrakottatopf.« Ruckartig stand sie auf, als wäre sie sechzehn, und klopfte sich den Dreck von den Knien. »Hab schon genügend Kippen rumliegen.«
    »Okay«, brummelte Albert.
    »Ist das für mich?«
    Sein Griff um die Aktentasche, die er unter der Achsel trug, wurde fester. »Nein. Ja.«
    »Was nun?«
    »Kann ich Ihnen was zeigen?«
    Sie winkte ihm und er folgte Klondi zu einem Granittisch

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