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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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der Hand fuhr er über eine magentafarben bekritzelte Seite, die süßlich roch wie die Luft im Haus, und fühlte die leichten Unebenheiten der von Fred in das Papier gedrückten Notizen.
Montag, 24.   5.   2002: 76 grüne Autos, 8 grüne LKWs, kein grünes Motorrad. Dienstag, 25.   5.   2002: 55 grüne Autos, 10 grüne LKWs, 2 schöne grüne Motorräder, 1 grüner Traktor. Mittwoch, 26.   5.   2002   …
    Albert warf den Kalender auf die Rückbank, schaltete den Walkman aus und spürte das Gewicht von Freds Gold in seiner Hand.

Hänselbrösel
     
    Immer wieder auf Hinweise zu stoßen, die ihn nirgendwohin führten, war Albert nicht neu. Schon seit Jahren versuchte er, etwas über seine Herkunft und vor allem über seine Mutter zu erfahren. Dass er eine Halbwaise war, oder vielmehr, wie er insgeheim fand   – und was er in Anbetracht von Freds geistigem Zustand für einen durchaus gerechtfertigten Begriffhielt   –, eine Zweidrittelwaise, entmutigte ihn nicht, sondern motivierte ihn. Früher verging kein Besuch bei Fred ohne einen Abstecher auf den Dachboden. Wenn er die Leiter zum Speicher nach oben stieg, übermannte ihn jedes Mal große Aufregung, obwohl er bald alle Umzugskisten, alle Taschen und Truhen, alle Kartons und Tüten und Kästen und Ordner mehrmals durchstöbert hatte. Vielleicht hatte er ja doch etwas übersehen. Allein der Name, Speicher, versprach so viel Wahrheit. Irgendwo dort oben, im Gedächtnis des Hauses, musste etwas lagern, das Albert den entscheidenden Anhaltspunkt auf den Verbleib seiner Mutter liefern könnte.
    Viel konnte Albert ihm nicht entlocken: ein Foto und zwei Haare.
    Ersteres entdeckte Albert zwei Tage vor seinem vierzehnten Geburtstag; es steckte in einem abgenutzten Portemonnaie zwischen kanadischen Dollarscheinen, bedruckt mit der Queen, die gelassen der Zukunft entgegensah. Auf dem Foto nahm Fred die Haltung eines Schulknaben ein, der beim Schwänzen erwischt worden war. Den Kopf nach unten geneigt, schielte er in Richtung Kamera. Seine rechte Hand steckte in der Hosentasche, seinen linken Arm knickte er seltsam zur Seite, als hätte man es ihm befohlen, und hielt Händchen mit einer jungen sommersprossigen Frau, deren kinnlanges rotlockiges Haar ihr wie ein ausgefallener Hut auf dem Kopf saß und die auf keinem anderen Foto in Freds Besitz zu finden war. Stolz und Leichtsinn paarten sich in ihrem Blick. Sie schien jeden Moment aus dem Foto zu schreiten.
    Stundenlang studierte Albert das Bild, mit Lupe und zusammengekniffenen Augen. Ein Stempel auf der Rückseite verriet: Aufgenommen war es 1983, im Jahr von Alberts Geburt.
    Er zeigte es Fred.
    »Wer ist das?«
    »Wer?«, fragte Fred.
    »Die Frau neben dir, wie heißt sie?«
    »Sie ist schön. Die Rote Frau.«
    »Hat sie einen Namen?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Und?«
    »Fred, wie heißt sie?«
    »Sie heißt die Rote Frau.«
    »Weißt du ihren richtigen Namen?«
    »Nein.« Fred rollte mit den Augen. »Aber vielleicht steht er in dem Lexikon?«
    »Hast du sie gemocht?«
    »Die Lexikon?«
    »Die Frau, Fred, die Frau.«
    »Ja, sie ist schön.«
    »Habt ihr euch   … geküsst?«
    »Mama sagt, man küsst keine Mädchen.«
    »Sie war eine Frau, oder? Und hübsch. Und wenn man jemanden richtig gern hat, dann küsst man ihn doch. Du gibst mir ja auch manchmal einen Kuss.«
    »Ja, aber du bist nicht die Rote Frau. Du bist Albert.«
    »Hast du sie jetzt geküsst oder nicht?«
    »Sie hat mich geküsst.«
    »Habt ihr auch andere Sachen gemacht?«
    Fred runzelte die Stirn.
    »Hat sie dich angefasst?«
    »Manchmal.«
    »Auch da unten?«
    »Wo unten?«
    »Da unten.«
    »Nein!«
    »Fred?«
    »M-hm?«
    »Kannst du mir sagen, wo die Rote Frau hingegangen ist?«
    »Ja.«
    »Wirklich?«
    »Total wirklich!«
    »Wohin?«
    Fred deutete auf die Haustür.
     
    Wurde Albert nach einem Ausreißversuch zurück nach Sankt Helena gebracht und von Schwester Alfonsa dazu gezwungen, als Strafe seine Schuhe zweihundert Mal zu schnüren   – Knoten, Schleife, Doppelknoten, Auftrennen und noch mal von vorn   –, unter strenger Beobachtung, dann schenkte ihm die Rote Frau jene Zuversicht, die man braucht, sobald man seine Schuhe fünfzig Mal gebunden hat. Bei fünfzig liegt die heikle Grenze, die Schallmauer des christlichen Bußeschnürens, danach werden die Fingerspitzen taub, reißt die Haut auf, graben sich Schnürsenkel in wunde Stellen. Das Bild von der Roten Frau im Kopf, machte Albert mit entzündeten Händen weiter und brach nie vor der

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