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Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition)

Titel: Meistens alles sehr schnell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Kloeble
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mitten im Garten, auf den sie mit der flachen Hand klopfte. Er zog den Reißverschluss der Aktentasche auf und gab ihr das Foto. Sie hielt es ins Licht.
    »Ja, und?«
    »Kennen Sie die Frau?«
    »Nein.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher.« Sie blies Rauch durch ihre Nase. »Wieso?«
    »Nicht so wichtig.«
    Er wollte das Foto wieder nehmen, doch sie ließ nicht los. »Albert, in den elf Jahren, die du jetzt schon deinen Vater besuchst, hast du noch nicht einmal einen Fuß auf mein Grundstück gesetzt. Nicht so wichtig? Ich glaube, momentan ist dir nichts wichtiger als dieses Foto.«
    »Kann sein.«
    Als er zu Boden sah, bemerkte Albert, dass er in eine der toten Schnecken getreten war. Er wischte seinen Turnschuh am Gras ab.
    »Das   … könnte deine Mutter sein.«
    »Kennen Sie sie?«
    »Nein. Sind uns nie begegnet. Als du geboren wurdest, Anfang der Achtziger, war keine gute Zeit für mich. Da bin ich den Menschen lieber aus dem Weg gegangen.«
    »Warum?«
    Sie räusperte sich und tippte, als hätte er nichts gesagt, mit einem erdigen Zeigefinger auf die Lücke zwischen Fred und der Roten Frau. »Du würdest ins Bild passen. Genau da.«
    Albert betrachtete das Foto genauer. Sie hatte recht.
    »Wissen Sie   …«, setzte er an und wusste nicht, wie die Frage beenden, ohne dass sie wehtat.
Wohin sie gegangen ist? Warum sie uns im Stich gelassen hat? Wieso wir ihr egal waren? Was sie sich dabei gedacht hat?
    »Ich weiß nichts«, sagte Klondi und zog nachdenklich an ihrer Zigarette, als enthielte die Kippe Informationen. »Mütter werden überbewertet, Albert. Meiner Meinung nach kannst du dich glücklich schätzen, ohne eine aufgewachsen zu sein.«
    Sie gab ihm das Bild zurück, und er verstaute es sofort in der Aktentasche.
    »Ich würde nicht weitersuchen«, sagte sie. »Ich befürchte, niemand im Dorf weiß etwas. Dein Vater ist, was das angeht, eine unbefleckte Maria. Du wirst nichts finden.«
     
    Nichts
und
niemand
waren für Albert viel zu leicht dahingesagte Wörter, um die Nachforschungen in diesem frühen Stadium abzubrechen. Drei Jahre lang versuchte er sich in denFerien als jugendlicher Detektiv, streunte durch den Biergarten des
Hofherr
, sprach Gäste nach dem letzten verzehrten Happen an, weil dieser Zeitpunkt laut einer Radio-Krimiserie, der er in Sankt Helena mit ein paar anderen heimlich nachts lauschte, am günstigsten war, um potentielle Informanten mit Fragen zu überrumpeln, bis eine dirndltragende Kellnerin Albert mit Lauten wie KS und PSCH verscheuchte wie einen bettelnden Straßenköter. Drei Jahre lang klopfte Albert an Tore, an Gatter, an Türen mit Milchglasfenstern und Türen, die offen standen, an Türen, auf die drei als Könige verkleidete Kinder mit Kreide
C + M + B
gekritzelt hatten, an verschlossene Türen. Drei Jahre lang schleppte er den Aktenkoffer mit sich herum und präsentierte sein Fahndungsfoto bereitwillig jedem Paar Augen. Drei Jahre lang machte er Kopien des Bildes, auf die er mit ausgeschnittenen Buchstaben klebte:
KEnNeN sIE DieSE FRaU? mELDeN SiE SIch BeI dRIaJES!
, und tackerte etliche Exemplare an das Reißbrett vor dem Rathaus, in das Wartehäuschen der Bushaltestelle, an Telefonmasten und Stromkästen und über das Logo einer amerikanischen Fast-Food-Kette auf dem einzigen Werbeplakat in Königsdorf gegenüber dem einzigen Supermarkt, bis die Gemeinde Königsdorf, vertreten durch einen Mann in grünbeiger Uniform, den alle bloß als
Dorfpolente
bezeichneten, ihm das Bekleben von öffentlichem Eigentum unter der Androhung von »heißn Ohrwaschln« verbot. Drei Jahre lang ging er, wenn er bei Fred zu Besuch war, an die Tür und ans Telefon mit der schwer zu unterdrückenden Hoffnung auf eine weibliche Stimme, eine euphorische Umarmung und rotes Haar natürlich. Und drei Jahre lang meldeten sich Menschen, die Alberts Ansicht nach unter Legasthenie oder erheblichen Konzentrationsstörungen litten, weil sie ihm feierlich verkündeten,den Mann auf dem Foto zu kennen, das sei doch der Behinderte vom Busunglück ’77.
    So wurden
nichts
und
niemand
respektable Größen.
     
    An einem Spätsommermorgen, an dem er sich, ein halbes Jahr nach seinem siebzehnten Geburtstag, zum ersten Mal rasiert hatte, nach erneuten sechseinhalb Wochen ergebnisloser Sommerferien, saß er bei der Morgenmesse in der zweiten Reihe, den Kopf gesenkt, das Kinn auf der Brust, die Hände gefaltet, und während Gebete aus seinem Mund tropften, wünschte er sich zum ersten Mal, er hätte das Foto nie

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