Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Witterung auffallend begünstigt. Bei andauerndem Landwind konnte er der Küste stets in geringer Entfernung folgen. Das Meer erhob sich nur in glatten Wellen, und es gehörte die große Empfindlichkeit eines Ben Omar dazu, um bei so schönem Wetter irgendwie zu leiden.
Die ganze Küste blieb in Sicht, die Höhen von Meklnez, von Mogador, der Berg Thesal, der seine Umgebung um tausend Meter überragt, Tarudant und das Vorgebirge Dschuby, mit dem die marokkanische Küste abschließt.
Gildas Tregomain hatte nicht die Genugthuung, die Canarischen Inseln zu sehen, denn der »Catalan« kam einige fünfzig Meilen von Fuerteventura, der nächsten der Gruppe, vorüber. Dagegen konnte er das Cap Bojador begrüßen, ehe er den Wendekreis des Krebses passierte.
Das Weiße Vorgebirge wurde am Nachmittage des zweiten Mai gepeilt, dann sah man am nächsten Morgen Portendik und endlich die Ufer von Senegal sich vor den Blicken der Reisenden ausbreiten.
Wie gesagt, wollten alle Passagiere nach Dakar, so daß der »Catalan« keine Unsache hatte, in Saint-Louis, dem Regierungssitze dieser französischen Colonie, einzulaufen.
Dakar scheint indeß eine größere maritime Bedeutung zu haben als Saint-Louis. Die meisten überseeischen Dampfer, die den Dienst auf der Linie von Rio de Janeiro in Brasilien und von Buenos-Ayres in der Republik Argentina versehen, gehen hier vor Anker, ehe sie über den Aequator steuern. Höchst wahrscheinlich fand Meister Antifer in Dakar also nachher Transportmittel, um nach Loango zu gelangen.
Endlich am 5. umschiffte der »Catalan« das berühmte Cap des Grünen Vorgebirges, das in derselben Breite wie die gleichnamigen Inseln liegt. Er kam um die dreieckige Halbinsel herum, die von der äußersten Spitze des afrikanischen Festlandes wie eine Flagge nach dem Atlantischen Meer hinaushängt, und der Hafen von Dakar erschien im hintern Winkel der Halbinsel, nach einer Fahrt von achthundert Lieues von dem, von Gildas Tregomain so bedauerten Algier.
Dakar ist zwar französisches Land, das dem Senegalgebiet Frankreichs gehört – und doch, wie fern, wie fern von Frankreich!
Siebentes Capitel.
Worin verschiedene Ereignisse und Zwischenfälle erzählt werden, die die Reisenden zwischen Dakar und Loango erlebten.
Niemals hätte Gildas Tregomain es sich träumen lassen, daß einst der Tag kommen sollte, wo er mit Juhel auf den Quais von Dakar, dieser alten Hauptstadt der goreanischen Republik, lustwandeln würde. Und doch geschah das an diesem Tage, als er den von zweifachen Granitmauern geschützten Hafen besuchte, während sich Antifer und der Banquier Zambuco, zwei ebenso Unzertrennliche wie Ben Omar und Saouk, nach der französischen Seeagentur begaben.
Ein ganzer Tag reicht übrig aus, die Stadt zu besichtigen. Sie bietet keinerlei Merkwürdigkeiten… einen hübschen öffentlichen Garten, eine Citadelle, die der Besatzung als Kaserne dient, und die Bel-Air-Spitze mit dem Krankenhaus für Seeleute, die vom Gelben Fieber befallen wurden. Wenn unsre Reisenden mehrere Tage in diesem Bezirke, der Gorea als Regierungssitz und Dakar als Hauptstadt hat, blieben, so mußte ihnen die Zeit gehörig lang werden.
Gildas Tregomain und Juhel sagten sich jedoch, daß es hier gelte, gute Miene zum bösen Spiele zu machen. Inzwischen schlenderten sie über die Quais und durch die sonnigen Straßen der Stadt dahin, die hier von Strafgefangenen in ziemlich gutem Stande erhalten werden.
Am meisten interessierten sie natürlich die Schiffe, diese »Stücke von sich selbst«, die Frankreich von Bordeaux nach Rio de Janeiro entsandte – jene Packetboote der
Messageries impériales,
wie sie 1862 noch hießen. Dakar war damals kein so wichtiger Platz wie heute, obwohl der Handelswerth von Senegal sich schon auf fünfundzwanzig Millionen Francs belief. Es zählte nur neuntausend Einwohner, eine Bevölkerung, die jedoch in Folge verschiedener Hafenmeliorationsarbeiten im Wachsen war.
Wenn der Frachtschiffer jener Zeit z.B. mit den M’Bambaras-Negern keine Bekanntschaft gemacht hatte, so wäre ihm das jetzt sehr leicht gewesen, denn nun wimmelt es in den Straßen Dakars von diesen Eingebornen. Dank ihrem Temperament, ihrem dicken Schädel und krausen Wollhaar können sie der Gluth der Tropensonne ungestraft Trotz bieten. Gildas Tregomain freilich hatte nicht umhin gekonnt, das bekannte großkarrierte Taschentuch als Sonnenschirm über seinen Kopf zu breiten.
»Herr, mein Gott, ist das eine Hitze! rief er. Nein, ich bin
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