Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Ma-Yumba nach Loango ausführen. Unter den Landeseingebornen oder den Schmugglern der Factoreien fand er gewiß Leute, die zu allem fähig waren, selbst Blut zu vergießen, und die gegen ein gutes Stück Geld für seinen verbrecherischen Zweck zu haben sein mußten.
Diese Aussicht erschreckte den zaghaften Ben Omar, wenn auch nicht in Folge übermäßigen Zartgefühls, so doch aus Furcht, in eine böse Geschichte mit hineingezogen zu werden – und das ließ ihm keinen Augenblick Ruhe.
Er wagte darauf hin auch eine schüchterne Einwendung zu machen und versicherte, Meister Antifer und seine Gefährten seien die Leute dazu, ihr Leben theuer zu verkaufen. Er hob hervor, daß sich Saouk trotz guter Bezahlung auf die von ihm ermietheten Schurken doch nicht verlassen könne, daß sie früher oder später schwatzen würden, daß der Ueberfall bekannt werden müsse, da die Wahrheit ja endlich einmal, selbst z.B. dann ans Licht komme, wenn Forschungsreisende tief drin in unbekanntem Lande ermordet worden wären. Alles das bezog sich, wie man sieht, nicht auf das Verbrecherische des Vorhabens selbst, sondern war nur von der Furcht vor dem Entdecktwerden eingegeben – dem einzigen Grunde, der Saouk vielleicht zurückhalten konnte.
Diesen rührte das jedoch gar nicht. Er hatte ja schon andre Dinge gesehen und selbst mit ausgeführt, und mit einem Blicke, der dem Notar das Mark erfrieren machte, antwortete er:
»Ich kenne nur einen Schwachkopf, der mich verrathen könnte!
– Und der wäre, Excellenz?…
– Du, Ben Omar!
– Ich?
– Ja. Doch nimm Dich in Acht, ich habe ein gutes Mittel, den Leuten den Mund zu stopfen!«
An allen Gliedern zitternd, ließ Ben Omar den Kopf sinken. Er wußte ja, daß es Saouk auf einen Cadaver mehr oder weniger auf der Straße von Ma-Yumba nach Loango gewiß nicht ankam.
Das erwartete Packetboot ging am Morgen des 12. Mai im Hafen von Dakar vor Anker. Es war die »Cintra«, ein portugiesischer Dampfer für Personen-und Güterbeförderung nach San Paolo de Loanda, jener wichtigen lusitanischen Colonie im tropischen Afrika. Dieses lief Loango regelmäßig an, und da es früh am nächsten Morgen weiter fuhr, beeilten sich unsre Reisenden, darauf Plätze zu erhalten. Bei seiner mittleren Geschwindigkeit von neun bis zehn Meilen sollte die Ueberfahrt eine Woche dauern, während der sich Ben Omar schon wieder der jämmerlichsten Seekrankheit versah.
Nach der Landung einiger Passagiere verließ die »Cintra« am folgenden Morgen den Hafen bei schönstem Wetter und mäßigem Landwinde. Meister Antifer und der Banquier stießen einen mächtigen Seufzer der Befriedigung aus, als ob ihre Lungen eine Woche lang unthätig gewesen wären. Das war ja ihre letzte Fahrstrecke, ehe sie den Fuß auf das Eiland Nummer Zwei setzten und die Hand auf die von diesem treubewahrten Schätze legten. Die Anziehung, die jenes Eiland auf sie ausübte, wurde nach Naturgesetz und umgekehrt mit dem Quadrate der Entfernung immer stärker. Und mit jeder Drehung der Schraube der »Cintra« verminderte sich diese immer mehr… immer mehr….
Leider vergrößerte sie sich aber für Juhel… er kam immer weiter weg von Frankreich, von der Bretagne, wo Enogate trauerte. Er hatte ihr gleich nach der Ankunft in und kurz vor der Abfahrt von Dakar geschrieben, und das arme Kind mußte also erfahren, daß ihr Verlobter sich immer noch weiter von ihr entfernte. und dazu war er nicht einmal in der Lage, den wahrscheinlichen Zeitpunkt seiner Rückkehr zu bestimmen!
Zunächst hatte Saouk zu erfahren gesucht, ob die »Cintra« etwa Passagiere nach Loango hätte. Vielleicht fand er unter Abenteurern mit weitem Gewissen, die ihr Glück in entlegnem Lande suchten, solche, die außer ihrer Bekanntschaft mit diesem geeignet gewesen wären, seine Spießgesellen zu spielen. Hierin hatte Seine Excellenz sich getäuscht. Er mußte seine Wahl also erst in Loango treffen. Zum Unglück kannte er die portugiesische Sprache ebenso wenig, wie Ben Omar. Das war hinderlich, wenn es darauf ankommt, delicate Geschäfte zu behandeln, bei denen man sich unbedingt klar und deutlich aussprechen können mußte. Auch die Uebrigen sahen sich auf den Verkehr nur unter einander beschränkt, da wiederum niemand an Bord französisch sprach.
Nur einer, dessen Verwunderung seiner Befriedigung gleich kam, war hier: der Notar Ben Omar. Es wäre übertrieben, zu behaupten, daß er sich auf der »Cintra« gar nicht unwohl gefühlt hätte, jedenfalls blieben ihm aber
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