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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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»gute Onkel« schien rein besessen zu sein, so als ob sein ewiges Grübeln über die unbekannte Länge ihm schließlich einen Hirndefect zugezogen hätte. Wenn nicht an Größenwahn, mußte er jetzt mindestens an Reichthumswahn laborieren.
    »Was in aller Welt hat er denn, Tante? wendete sich Juhel fragend an Nanon.
    – Ja, Euer Onkel scheint an der Tanzmanie zu leiden, liebe Kinder.
    – Er kann aber doch das ganze Haus unmöglich so erschüttern….
    – Nein, dazu hilft Tregomain getreulich mit.
    – Was? Tregomain tanzt ebenfalls?
    – Wahrscheinlich aus Nachgiebigkeit gegen unsern Onkel,« meinte Enogate.
    Alle drei stiegen jetzt die Treppe hinauf; sie mußten aber, als sie Meister Antifer so toll umherspringen sahen, wirklich glauben, daß er übergeschnappt wäre, vorzüglich da er aus Leibeskräften immer gröhlend wiederholte:
    Ich habe meinen Me…
    Mo me!
    Ich habe meinen ri…
    Ro ri…
    Und puterroth, dampfend, von einem Schlaganfalle bedroht, fiel der gute Tregomain ein:
    Ja, er hat seinen ri… Er hat seinen Meridian!
    Da ging Juhel plötzlich ein Licht auf: die beiden Fremden, die eben das Haus verlassen hatten… sollte einer davon der endlich eingetroffene Abgesandte Kamylk-Paschas gewesen sein?
    Der junge Mann war ganz blaß geworden; er hielt den Meister Antifer mitten in einem tollen Sprunge auf.
    »Lieber Onkel, rief er, Sie haben ihn?…
    – Ich hab’ ihn, mein Junge!
    – Er hat ihn«, murmelte Gildas Tregomain.
    Dieser sank dabei erschöpft auf einen Stuhl nieder, der, nicht imstande, einen solchen Stoß auszuhalten, unter ihm zusammenbrach.
    Bald nachher, als ihr Onkel wieder etwas zu Athem gekommen war, hörten Juhel und Enogate alles, was sich seit gestern zugetragen hatte, die Ankunft Ben Omar’s mit seinem ersten Schreiber, deren Versuche sich den Brief Kamylk-Paschas zu erschwindeln, den Text des Testaments, die genaue Längenbestimmung für die Lage des Eilands mit den vergrabenen Schätzen… Meister Antifer brauchte sich nur zu bücken, um diese aufzuheben!
    »Doch, lieber Onkel, jetzt, wo jene das Nest wissen, werden sie sich beeilen. es schon vor uns auszunehmen!
    – Stopp, stopp, Herr Neffe! rief Meister Antifer, die Achseln zuckend. Hältst Du mich denn für so einfältig, daß ich ihnen den Schlüssel zum Geldschrank ausgeliefert hätte?«
    Gildas Tregomain bestätigte durch ein Schütteln mit dem Kopfe, daß das nicht geschehen sei.
    »… zu einem Geldschrank, der seine hundert Millionen enthält!«
    Das Wort »Millionen« schwoll in Pierre-Servan-Malos Munde so auf, daß es diesen bald verrenkt hätte.
    Doch wenn der Mann erwartet hatte, daß seine Erklärung mit Jubelrufen aufgenommen werden würde, irrte er ganz gewaltig. Wahrhaftig, ein Goldregen, der Danaës Eifersucht erregt hätte, ein Schwall von Diamanten und Edelsteinen ergoß sich über das bescheidne Haus in der Rue des Hautes-Salles, und keiner streckte die Hand aus, den Segen aufzufangen, keiner deckte das Dach ab, um ihn bis zum letzten Tropfen einströmen zu lassen?
    Ja, so war es. Ein eisiges Stillschweigen folgte der mit Millionen gespickten Phrase, die der Sprecher so triumphierend declamiert hatte.
    »Was zum Teufel! rief er, mit starrem Blicke Schwester, Neffe, Nichte und Freund nach einander musternd, was seht Ihr denn aus, als ob einer Euern Segeln den Wind abgefangen hätte?«
    Trotzdem wollten die Gesichter der andern sich nicht wieder erheitern.
    »Wie, fuhr Meister Antifer fort, ich verkündige Euch, daß ich nun reich bin wie ein Crösus, daß ich aus dem Eldorado heimsegle mit einer Goldfracht zum versinken, daß der reichste Nabob gegen mich ein Betteljunge ist, und Ihr fliegt mir nicht an den Hals, um mich zu beglückwünschen?…«
    Keine Antwort. Nur niedergeschlagene Augen und bekümmerte Gesichter.
    »Nun, Nanon?…
    – Ach ja, lieber Bruder, antwortete die Schwester, das sichert ein erträgliches Auskommen.
    – Ein hübsches Auskommen! Jeden Tag in einem Jahre dreimalhunderttausend Francs verzehren zu können, wenn man’s sonst will! Und Du, Enogate, meinst Du auch, daß das ein erträgliches Auskommen ist?
    – Mein Gott, lieber Onkel, man braucht ja gar nicht so reich zu sein…
    – Ja, ja, das weiß ich… ich kenne den Refrain: »Reichthum macht nicht glücklich!«… Ist das wohl auch Deine Ansicht, Herr Kapitän der langen Fahrt? fragte der Onkel direct seinen Neffen.
    – Meine Ansicht, erklärte Juhel, ist die, daß der Aegypter Ihnen noch obendrein den Titel »Pascha«

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