Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
zu bemerken, wenn wir jeder unsern Reisesack, unsre Taschen und zur Noth auch die Hüte vollgestopft hätten…
– Das sind nun Ansichten des Flußkleppers! rief Meister Antifer. Er stellt sich vor, man könne eine Million in der Hosentasche forttragen….
– Ich dachte mir, lieber Freund…
– Du hast wohl in Deinem Leben noch keine Million in Gold gesehen?…
– Niemals… nicht einmal im Traume!
– Und Du weißt auch nicht, was eine solche wiegt?…
– Darum laß’ ich mir kein graues Haar wachsen.
– Nun, ich, ich weiß es aber, Frachtschiffer, denn es hat mich gedrängt, es auszurechnen.
– Nun, wie viel denn?
– Ein Goldbarren im Werthe von einer Million wiegt ungefähr dreihundertzweiundzwanzig Kilogramm….
– Nicht mehr?« warf Gildas Tregomain naiv ein.
Meister Antifer sah ihn von der Seite an. Dessen Bemerkung schien aber in so gutem Glauben gefallen zu sein, daß er sich entwaffnet fühlte.
»Und, fuhr er fort, wenn eine Million schon dreihundertzweiundzwanzig Kilogramm wiegt, so wiegen hundert Millionen zweiunddreißigtausendzweihundert Kilogramm!
– Oho! platzte Frachtschiffer heraus, – nur nicht zu viel!
– Ja, weißt Du auch, wie viele Menschen, wenn jeder hundert Kilogramm trüge, nöthig wären, um diese hundert Millionen fortzuschaffen?
– Na, sag’s nur, alter Freund!
– Dazu brauchte man wieder dreihundertzweiundzwanzig. Da wir nun blos ihrer drei sind, so kann man sich unsre Verlegenheit vorstellen, wenn wir nach dem Eiland kämen! Zum Glück besteht mein Schatz aber in der Hauptsache aus Diamanten und Edelsteinen….
– Ja, ja, mein Onkel hat ganz recht, fiel Juhel ein.
– Und ich möchte noch hinzusetzen, sagte Gildas Tregomain, daß dieser Kamylk-Pascha alles zum besten eingerichtet hat.
– O, jene Diamanten! rief Meister Antifer; jene Diamanten, die man bei den Juwelieren in Paris oder London so bequem verkaufen kann!… Das wird einmal ein Handel werden!… Natürlich nicht alle… nein, alle nicht!
– Du wirst nur einen Theil davon in Geld umsetzen…
– Jawohl, Frachtschiffer, natürlich! erwiderte Meister Antifer, dessen Gesicht zuckte, während seine Augen Blitze sprühten. Ja wohl… und im Voraus behalte ich davon einen für mich… einen Diamanten im Werthe von einer Million… den ich im Brustlatz trage…
– Im Brustlatz, alter Freund! bemerkte Gildas Tregomain. Dann mußt Du aber strahlen! Ich glaube, es kann Dich gar keiner mehr ansehen!…
– Und einen zweiten für Enogate, erklärte Meister Antifer weiter. Das wird ein Kieselsteinchen, das sie noch hübscher machen wird.
– Nein, hübscher nicht, als sie’s schon ist, Onkel! beeilte sich Juhel zu versichern.
– Gewiß, mein Herr Neffe, gewiß… Dann giebt es noch einen dritten Diamanten für meine Schwester.
– Ach, für die gute Nanon! rief Gildas Tregomain. Sie wird dann ebenso geschmückt sein, wie zu Hause die Jungfrau Maria von der Rue Porçon. Alle Wetter, ich glaube, Du willst sie so putzen, daß ihr einer noch einen Heiratsantrag macht?…«
Meister Antifer zuckte nur die Achseln, dann fuhr er fort:
»Und einen vierten Diamanten für Dich, Juhel, einen schönen Stein, den Du an der Busennadel tragen kannst…
– Ich danke, lieber Onkel.
– Und einen fünften für Dich, Kapitän!
– Für mich?… Wenn’s noch einer wäre, den ich an der Gallion der »Charmante Amélie« anbringen könnte….
– Nein, Frachtschiffer, an Deinem Finger… in einem Ring… einem Siegelring…
– Ein Diamant an meinen großen, rothen Händen… das wird mich kleiden, wie einen Franciskaner etwa Lackstiefeln, erwiderte der Frachtschiffer, indem er seine gewaltige Hand zeigte, die eher geeignet war, ein dreifaches Tau einzuholen, als mit Ringen zu flunkern.
– Thut nichts, Frachtfuhrmann! Es ist ja nicht unmöglich, daß sich eine Frau fände, die Dich wollte…
– Ich bitte Dich, alter Freund! Es existiert ja eine hübsche und kräftige Wittwe… eine Gewürzkrämerin in Saint-Servan….
– Eine Hökerin… Gewürzhändlerin!… rief Meister Antifer. Stelle Dir einmal vor, welche Jammergestalt Deine Hökerin in unsrer Familie spielen müßte, wenn Enogate erst einen Prinzen und Juhel seine Prinzessin geheirathet hat!«
Das Gespräch brach hiermit ab und der junge Kapitän konnte sich nicht enthalten, zu seufzen, wenn er dachte, daß sein Oheim noch immer an solcher tollen Idee festhielt.
Wie würde er ihn wohl zur Vernunft bringen können, wenn es ein Unstern, ja, ein
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