Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
bekommen mußte, wohin der Legatar Kamylk-Paschas sich begab, um sich in Besitz seiner Erbschaft zu setzen, stand ja außer Frage. Da das Testament die Mitanwesenheit des Testamentsvollstreckers, also Ben Omar’s, dabei ausdrücklich vorschrieb, konnte Meister Antifer ihm diese ja nicht vorenthalten. Anders lag es nur, wie Saouk, wenn das Eiland erreicht war und seine Schätze ausgeliefert hatte, sie ihrem Eigenthümer rauben könne. Auf diese vom Notar öfters wiederholte Frage hatte er niemals eine Antwort gegeben, einfach, weil er keine zu geben wußte. Jedenfalls würde er vor keinem Mittel zurückschrecken, sich ein Vermögen anzueignen, das er für das seinige ansah und um das ihn Kamylk-Pascha zu Gunsten eines ganz Fremden gebracht hatte. Das erschreckte Ben Omar, den einfachen versöhnlichen Notar. der Gewaltmitteln abhold war, schon im voraus, denn er wußte, daß Seine Excellenz das Leben eines Menschen ebenso hoch schätzte. wie eine vertrocknete Feige. Jetzt handelte es sich nur darum, die weitere Entwicklung der Angelegenheit sorgsam zu verfolgen und je nach Umständen zu handeln, wenn der Malouin seine Schätze erst in der Hand hätte.
Darüber einigten sich beide, freilich erst nach furchtbaren Drohungen gegen Ben Omar und nachdem Saouk ihm wiederholt hatte, daß er ihn für den Ausgang verantwortlich mache. Damit ging Seine Excellenz fort und legte ihm ans Herz, auf die Rückkehr Meister Antifer’s nach dem Hôtel ein Auge zu haben.
Diese Rückkehr erfolgte übrigens erst spät am Abend. Gildas Tregomain und Juhel hatten sich das Vergnügen gegönnt, durch die Straßen von Mascat zu flanieren, während Meister Antifer – in Gedanken – einige hundert Kilometer weiter östlich auf seiner Insel umherspazierte. Man hätte ihn gar nicht über den Eindruck fragen dürfen, den die Hauptstadt des Imanats auf ihn machte, ob ihre Straßen belebt, ihre Läden reich ausgestattet wären, oder ob die aus Arabern, Indiern und Persern gemischte Bevölkerung irgend einen originellen Typus aufweise. Er hatte nichts sehen wollen, während Juhel und der Frachtschiffer sich lebhaft für alles interessierten, was ihnen in dieser so orientalisch gebliebenen Stadt vor Augen kam. Sie waren stehen geblieben vor den Magazinen mit Waaren aller Art, mit Turbans, Gürteln, Wollenmänteln, rohen Baumwollstoffen und mit den, »Mertaban« genannten Oel-und Weinkrügen, deren Färbung durch ihr Email schimmerte. Angesichts der schönen Sachen dachte Juhel daran, wie sich Enogate über den Besitz derselben freuen würde. Welch reizendes Andenken an diese recht unzeitige Reise müßten jene für sie bilden! Und gewiß würde sie sich glücklicher schätzen, diese wunderbar gearbeiteten Kleinigkeiten, diese Nichtse von künstlerischem Werth, aus der Hand ihres Verlobten zu erhalten, als sich mit den prächtigen Diamanten ihres Oheims zu schmücken.
Das meinte auch Gildas Tregomain, denn er sagte zu seinem jungen Freunde:
»Wir wollen doch dieses Halsband für die Kleine kaufen und Du übergiebst es ihr bei der Heimkehr.
– Bei der Heimkehr! antwortete Juhel seufzend.
– Und auch den hübschen Ring hier… was sag’ ich?… nur einen Ring… nein, zehn Ringe, einen für jeden Finger….
– Woran mag meine arme Enogate jetzt wohl denken? murmelte Juhel.
– An Dich, mein Junge, gewiß immer nur an Dich….
– Und wir sind Hunderte von Meilen von einander getrennt!
– Halt! Vergessen wir auch nicht, eine Schachtel mit dem vortrefflichen Zuckergebäck, das uns Herr Joseph Bard so sehr empfohlen hat, auszuwählen!
– Es ist da, bemerkte Juhel, vielleicht rathsam, es erst zu kosten, ehe wir es kaufen.
– Nein, mein Junge, nein! erwiderte Gildas Tregomain. Ich bin der Meinung, daß Enogate als die erste davon naschen soll….
– Und wenn ihr das Zuckerbackwerk nicht schmeckt?…
– O, sie wird es schon köstlich finden, da Du ihr’s so weit her mitgebracht hast.«
Ja, der vortreffliche Seeheld verstand sich auf das Herz junger Mädchen, obwohl keine – weder in Saint-Malo, noch in Saint-Servan oder in Dinard – je daran gedacht hatte, Frau Tregomain zu werden!
Kurz, beide bedauerten keineswegs ihren Spaziergang durch die Hauptstadt des Imanats, die mehr als eine große europäische Stadt um ihr gefälliges Aeußere und ihre Sauberkeit hätte beneiden können – mit Ausnahme seiner Vaterstadt, die Pierre-Servan-Malo nun einmal für eine der ersten der Welt ansah.
Juhel bemerkte übrigens, daß die Polizei hier
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