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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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folgten den beiden in der Richtung nach dem Hafen.
    Am Ende des kleinen Molo wiegte sich eine Perme (eine Art türkischer großer Gondel mit Verdeck), das heißt, ein mittelgroßes Fahrzeug mit zwei Masten, jetzt noch vorn und hinten von Tauen gehalten. Das Großsegel war noch eingerollt, doch es brauchte nur herabgelassen zu werden, um das Schiffchen nach dem offnen Meere hinauszutreiben.
    Diese Perme, namens »Berbera«, war mit etwa zwanzig Leuten bemannt, eigentlich etwas reichlich für ein Fahrzeug von ungefähr neunzig Tonnen. Juhel fiel das zwar auf, er unterdrückte aber eine Bemerkung darüber. Dagegen konnte er sich bald einer andern nicht enthalten, darüber nämlich, daß die Hälfte dieser Männer gar keine Seeleute zu sein schienen. In der That waren es nämlich Polizeibeamte aus Sohar, die unter dem Befehl Selik’s mit an Bord gekommen waren. Kein vernünftiger Mensch hätte unter diesen Umständen noch zehn Pistolen für die hundert Millionen des Erben Kamylk-Paschas gegeben – wenn sich diese überhaupt vorfanden.
    Mit der Behendigkeit erfahrener Seeleute sprangen die Passagiere an Bord der »Berbera«, doch legte sich das Fahrzeug unter dem Gewicht Gildas Tregomain’s fühlbar nach Backbord auf die Seite.
     

    Meister Antifer starrte der Verzweiflung nahe… (S. 186.)
    Die Einschiffung des Notars hätte einige Schwierigkeiten gemacht, denn dem drehte sich schon das Herz im Leibe herum, doch da packte ihn Nazim einfach in der Taille und warf ihn über den Bordrand hinein. Da das Rollen des Fahrzeugs auf Ben Omar schon die schlimmste Wirkung ausübte, verschwand er durch die Treppenkappe der Cajüte im Hinterdeck, die nun von langen, schmerzlichen Seufzern widerhallte.
     

    Die »Berbera« im Sturme.
    Den Instrumenten widmete man natürlich die peinlichste Sorgfalt – vor allem dem Chronometer, den Gildas Tregomain in sein Taschentuch eingebunden trug, dessen vier Zipfel er krampfhaft festhielt.
    Der Kapitän der Perme – ein alter Araber von roher Erscheinung – ließ die Sorrtaue schießen, Segel beisetzen und auf Anordnung Juhels durch Vermittlung Selik’s den Cours nach Nordosten einschlagen.
    Man war jetzt also auf dem Wege nach dem Eilande. Bei dem herrschenden Westwinde mußten wohl vierundzwanzig Stunden genügen, um dasselbe zu erreichen. Die Natur ist nur manchmal so boshaft, die Leute zum Narren zu haben. Wehte der Wind auch in günstiger Richtung, so jagten die Wolken doch geradezu in den höhern Luftschichten dahin. Es genügte ja nicht, nur nach Osten zu vorwärts zu kommen, sondern auch den richtigen Punkt aufzufinden, und dazu mußte eine mehrfache Beobachtung der Länge und der Breite, die eine am Vor-oder Nachmittage, die andre in dem Augenblicke des Meridiandurchganges der Sonne, ausgeführt werden. Um die Höhe zu erfahren, genügte es ja, daß die Sonne geruhte, sich sehen zu lassen, doch an diesem Tage schien es, als ob das launische Gestirn sich zu zeigen keine Lust verspürte.
    Meister Antifer lief auf dem Verdeck der »Berbera« in größter Aufregung hin und her und betrachtete stets weit mehr den Himmel als das Wasser. Vorläufig sachte er ja kein Eiland am Horizonte, sondern die Sonne inmitten der Dunstmassen des Ostens.
    Nahe der Gallion stehend, zuckte der Frachtschiffer mit den Achseln als Zeichen der Enttäuschung. Juhel, der sich an seiner Seite hielt, gab seinem Unmuthe durch ein Verziehen des Mundes Ausdruck. Verzögerungen… immer wieder Verzögerungen… sollte diese Reise denn gar kein Ende nehmen? Und hunderte und aberhunderte von Meilen weit glaubte er in dem kleinen Hause von Saint-Malo die geliebte Enogate auf einen Brief warten zu sehen, der ihr noch nicht zugekommen sein konnte.
    »Nun, wird sich denn die liebe Sonne gar nicht zeigen? fragte der Frachtschiffer.
    – Es wird mir nicht möglich sein, eine Rechnung vorzunehmen, antwortete Juhel.
    – Kann man wegen Mangels an Sonne eine solche Rechnung nicht auch nach Mond und Sternen aufstellen?
    – Gewiß, Herr Tregomain, wir haben aber leider Neumond, und was die Sterne betrifft, so fürchte ich, daß es in der Nacht ebenso bewölkt sein wird, wie am Tage, übrigens sind das verwickelte Beobachtungen, die ohne größere Rechnung nicht zum Ziele führen.«
    Gildas Tregomain beruhigte sich im Vertrauen darauf, daß der junge Kapitän schon nichts unterlassen werde, sie zum gewünschten Punkte zu führen. Meister Antifer aber starrte der Verzweiflung nahe hinaus in die Luft, nach dem Himmel und nach

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