Meister der Assassinen
vertraust mir doch?«, fragte Arun nach einer Weile.
»Das ist es ja ...«, murmelte sie. Sie vertraute jemandem, vor dem sie Angst hatte. Tolle Sache.
»Hmmmm. Ich bin mir nicht sicher, was dies zur Sache tut. Ein Freund von mir hat einmal gesagt: Jeder ist ein Mond und hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt. «
»Ein weiser Spruch«, gab Laura zu. »Von wem stammt er?«
»Mark Twain.«
»Den hast du gekannt?«
»Aye. Hochintelligenter Bursche, faszinierend. Waren ein paarmal gemeinsam auf dem Meer unterwegs. Also. Es hat seinen Grund, die dunkle Seite nicht zu zeigen. Doch ich werde dir antworten, denn ich kenne euch Menschenmädchen, ihr lasst nicht locker. Und warum auch nicht? Es tut wohl, einmal mit jemandem darüber zu sprechen. Behältst du es für dich?«
Laura nickte. »Ich verspreche es dir. Ich will mir nur klar werden.«
»Ich bezweifle, dass das viel Klarheit bringen wird. Aber gut: Du vermutest richtig, ich bin verflucht.« Arun kam rundheraus auf den Punkt: »Wenn ich mich einer Frau nähere, gibt’s Probleme, und zwar erhebliche. Es endet damit, dass sie schreiend davonläuft und sich bald darauf an nichts mehr erinnern kann. Und ich kann mich für eine Weile nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen.«
Das war mal etwas Neues. Meinte er das etwa ernst? »Gibt es irgendjemanden, der nicht verflucht ist? Fast jeder erzählt mir das, wie Laycham. Und deine Begleiter ... Ist das eure dunkle Seite des Mondes?«
Arun machte eine unbestimmte Geste. »Tja, so hat sich unsere kleine Gemeinschaft zusammengefunden. Und mein Leben wird seit langer Zeit dadurch versauert, dass ich Frauen sehr zugetan bin, es aber eben nur auf Distanz sein darf. Ein Kuss, und ...«
»Du bist der Froschkönig!«, rief Laura aus und lachte los.
»So etwas Ähnliches«, antwortete Arun und fand es offenbar nicht im Mindesten komisch. Seine Augen blickten kühl. »Ich werde dann zu einem kleinen, haarigen, sabbernden Monster. Kein schöner Anblick.«
Lauras Lachen erstickte in der Kehle. Ihre Augen weiteten sich. »Echt wahr?«
»Ganz genau. Die Verwünschung hält zum Glück nicht lange. Die einzige Frau, der ich mich jemals ungestraft nähern durfte, war meine preyasi - weil sie einen Jungfrauenschutz trug.«
»Und wo ist sie jetzt?«
»Sie ist wieder die Göttin, die sie einst war, und hat uns die Unsterblichkeit zurückgegeben. Und ich kann ewig leben, begleitet von Einsamkeit und erzwungener Keuschheit.« Arun musterte sie mit hochgezogener Augenbraue. »Zufrieden?«
»Es tut mir leid«, sagte Laura betreten.
»Das war wohl nicht das, was du hören wolltest? Zu harmlos? Oder nicht passend zu einem tollen Kerl wie mir?«
»Gar nicht. Es ist überaus tragisch. Verzeih mir, dass ich vorhin gelacht habe.«
»Schon gut. Es ist besser, darüber zu lachen, als schreiend davonzurennen.«
Laura räusperte sich. Sie wäre am liebsten in einer Ritze zwischen den Planken versunken. »Irgendwie finden sich hier alle Getriebenen zusammen, was? Glaubst du nicht doch daran, eines Tages erlöst werden zu können?«
Der Korsar zuckte die Achseln. »Ich habe die Hoffnung inzwischen aufgegeben.«
»Das solltest du aber nicht.«
»Pah, ich habe gute Laune und ein fliegendes Schiff. Was brauche ich mehr?«
Laura merkte, dass er sich nicht mehr weiter mit ihr unterhalten wollte.
Zufrieden war sie mit dem Gespräch nicht. Sie zweifelte nicht daran, dass Arun die Wahrheit gesagt hatte, doch ... das war es nicht, was sie bei ihm spürte. Dieser Fluch war nur ein Teil des Geheimnisses, das den Korsaren der Sieben Stürme umgab. Sie hatte den Eindruck, dass nicht nur sie, sondern auch Prinz Laycham sich vor ihm ... fürchtete. Aber merkwürdigerweise hatte sie trotzdem nicht das Gefühl, dass ihr oder den anderen Gefahr durch ihn drohte. Wie passte das zusammen?
»Ach was!«, sagte er in ihre Gedanken hinein. »Du interpretierst zu viel, meine Liebe. Und ich werde mir jetzt einen ordentlichen Schluck genehmigen! Einen schönen Abend noch.«
Laura blieb zurück, schüttelte den Kopf und rieb sich die Schläfen.
Warum habe ich das eigentlich wissen wollen?, dachte sie verwirrt. Was habe ich da nur getan?
Schließlich war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Die Cyria Rani senkte sich bis dicht über den Erdboden hinab und warf Anker. Die große Klappe wurde geöffnet, und erleichtert sprangen die Pferde mitsamt ihren Reitern hinaus in die Freiheit. Laycham und Zoe wollten über das Fallreep das Schiff verlassen,
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