Meister der Stimmen: Roman (German Edition)
»Wie eine Bibliothekarin.«
»Wie du mir schmeichelst!« Miranda legte dramatisch die Hände an die Brust. »Schweig still, mein Herz!«
»Was? Darum ging es doch, oder?«, meinte Gin und setzte sich auf.
Miranda grinste über seine Verwirrung und klemmte sich ihre normale Kleidung unter den Arm, bevor sie sich durch die kichernden Bäume schob. Gin tapste hinter ihr her und murmelte missmutig vor sich hin.
Die winzige Lichtung vor der Hütte war ziemlich voll geworden, seitdem Nico und Josef zurückgekehrt waren. Der größte Teil des Platzes wurde allerdings von den Neuzugängen eingenommen. Auf einer fadenscheinigen Decke lagen nur in ihrer Unterwäsche zwei Männer und eine Frau und schliefen friedlich in der Sonne – es waren Diener der Burg und die Quelle ihrer Kostüme. König Henrith hockte neben ihnen und rieb sich unruhig die Knie. Er hatte seine dreckige Seidenkleidung gegen etwas eingetauscht, das aussah, als gehörte es Josef – aber ohne die Messer war das schwer zu sagen. Die Kleidung saß schlecht, und zusammen mit der finsteren Miene, mit der er seine bewusstlosen Diener musterte, ließ sie ihn aussehen wie einen Flüchtling aus einem tragischen Schauspiel.
»Ich verstehe nicht, warum ihr sie so schlagen musstet«, murmelte er.
»Es war der einfachste Weg, um an die richtigen Größen zu kommen«, erklärte Josef mit gelangweilter Stimme. Er lungerte neben der Hütte herum und lehnte sich an die stets gegenwärtigen, tarnenden Äste, die Elis blättrige Bewunderer bereitstellten. Sein riesiges Schwert steckte neben ihm im Boden, und im Gras vor seinen Füßen lag ein Haufen von Wurfmessern. Seine üblichen, zahllosen Waffengurte waren verschwunden, und stattdessen trug er die blaue Uniform einer königlichen Wache des Hauses Allaze. Sie spannte ziemlich an den Schultern und hatte wohl einmal dem schmaleren der zwei schlafenden Männer gehört. »Sie wachen schon bald auf, und dann geht es ihnen wieder gut.«
»Außerdem bist du ja da, Majestät«, schaltete sich Eli ein, der gerade die Manschetten an der Kleidung eines Kammerdieners schloss. »Ein freier Abend und eine rührende Wiedervereinigung mit ihrem Monarchen. Ich würde sagen, wir tun ihnen sogar einen Gefallen.«
»Was ich nicht verstehe«, meinte Miranda und kniete sich neben den erregten König, »ist, warum wir Kostüme stehlen, um uns in die Burg zu schleichen, wenn Josef und Nico bereits in die Burg geschlichen sind, um sich die drei hier zu schnappen.«
»Das haben sie nicht getan«, erklärte Eli. »Es lebt nicht jeder Diener im Palast, weißt du? Josef hat die hier entdeckt, als sie aus einem der Dörfer in die Stadt gekommen sind. Er hat ihnen nur einen unfreiwilligen freien Abend geschenkt. Oh, schau mich nicht so an.« Er wedelte abwehrend mit der Hand, als Mirandas entsetzter Blick ihn traf. »Wenn Josef sagt, dass ihnen nichts passiert ist, dann ist ihnen auch nichts passiert. Er ist ein Profi. Er macht das ständig.«
Josef nickte weise und polierte weiter seine Messer. Irgendwie fand Miranda die Geste nicht beruhigend.
»Natürlich«, Eli steckte die Hände in die Taschen, »bleibt die Frage, warum wir überhaupt auf so etwas verfallen müssen. Ich dachte, du hättest gesagt, du hast einen Kontakt im Palast?«
Miranda schüttelte heftig den Kopf, bis ihr Schleier sich um sie bauschte. »Auf keinen Fall lasse ich zu, dass ihr Marion mit in diese Sache reinzieht. Nicht, nachdem sie schon einmal Kopf und Kragen für mich riskiert hat. Sieh dir doch nur an, was ihr einer ihrer Kolleginnen angetan habt.« Sie deutete auf das bewusstlose Mädchen, dessen Bibliothekarsuniform Miranda nun trug. »Außerdem«, murmelte sie, »habe ich viel Zeit darauf verwendet, die Vorstellung dieses Mädchens über Magier zurechtzurücken. Ich will nicht, dass sie euch sieht und wieder auf völlig falsche Ideen kommt.«
»Ihr trefft mich bis ins Mark, meine Dame«, sagte Eli und drückte sich die Hände auf die Brust. »Unterstellt Ihr mir etwa, ich würde den Ruf der Magier beschmutzen?«
Miranda kommentierte seine Theatralik nur mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Der Rektor Spiritualis hätte mich nicht hierher in die Pampa geschickt, wenn du uns damit einen Gefallen tun würdest, Monpress.«
»Ah ja, der große Etmon Banage.« Eli lächelte. »Wie nett von ihm, die Grenze zwischen einem guten und einem bösen Magier so klar zu ziehen. Ein wirklich staatstragender Mann.«
»Meister Banage ist als Magier doppelt so viel wert
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