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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Hahnrei Ho müssen dies die Beine der Macht sein, und wir können nur beten, daß sie stark genug sind, die Kinder in Sicherheit zu tragen. Ich nehme an, der Herzog hat die Große Wurzel zerteilt, und die Stücke in seinen Schatzkammern überall in China versteckt.«
    Er drehte das Kästchen um, und ein weiterer Gegenstand fiel heraus. Es war eine winzige Blechflöte, nicht viel größer als ein Daumennagel.
    »Was sollten wir gegen eine Feder austauschen, die Wurzel oder die Flöte?« fragte ich.
    »Wie soll ich das wissen? Ochse, hat der Herzog von Ch'in wirklich deine Gedanken gelesen?«
    »Ja, Meister«, erklärte ich entschieden.
    »Das gefällt mir überhaupt nicht«, sagte Meister Li nachdenklich. Er starrte auf die Stelle, wo der Geist erschienen war. Beinahe eine Minute verging in Schweigen. »Vielleicht werden wir es in zwei- oder dreihundert Jahren herausfinden«, sagte er schließlich. »Laß uns hier verschwinden.«
    Das war einfacher gesagt als getan. In das Labyrinth zurückzugehen, wäre reiner Selbstmord gewesen, aber der einzige Ausgang war die kleine Höhlenöffnung. Dort standen wir und blickten eine hundert Fuß hohe Steilklippe hinunter, die man unmöglich ohne Seile und Kletterhaken bezwingen konnte. Und tief unten schäumte das Meer, dessen Wellen sich zornig an gezackten Felsen brachen, die wie Zähne aus der Gischt aufragten. Beinahe direkt unter uns gab es eine kleine ruhige Stelle, aber das Wasser konnte an dieser Stelle sehr wohl nicht einmal einen halben Fuß tief sein. Der Mond spiegelte sich darin, und ich blickte vom Mond zu Meister Li und wieder zurück. »Ich habe ein ziemlich hektisches Leben geführt, und ich könnte eine längere Ruhepause gut gebrauchen«, seufzte er. »Wenn ich in die Höhle komme, um gerichtet zu werden, will ich die Yamakönigin darum bitten, als Faultier wiedergeboren zu werden. Hast du Wünsche in dieser Richtung?«
    Ich dachte nach. »Ich möchte eine Wolke sein«, sagte ich schüchtern.
    Meister Li trug einen mit unechten Muscheln besetzten Schmuggler-gürtel. Er klappte eine davon auf und legte die Beine der Macht hinein. Nach kurzem Überlegen versteckte er auch die winzige Flöte darin, und ich füllte mir die Taschen mit Perlen und Jade im Hinblick auf die geringe Chance, daß ich lange genug leben würde, um sie Lotuswolke schenken zu können. Li Kao hüpfte auf meinen Rücken und legte mir die Arme um den Hals. Ich entdeckte dabei, daß ich allmählich begann, mich nackt zu fühlen, wenn ich den uralten Weisen nicht wie einen Regenumhang trug. Ich stellte mich an den Felsrand und faßte mein Ziel ins Auge. »Leb wohl, Faultier.«
    »Leb wohl, Wolke.«
    Ich hielt mir die Nase zu und sprang. Der Wind pfiff uns um die Ohren, während wir auf das stille Wasser und einen gezackten Felsen, den wir nicht gesehen hatten, zustürzten. »Links! Links!« schrie Meister Li und zog an der Kette mit dem Anhänger wie an den Zügeln eines Zaums.
    Ich ruderte heftig mit den Armen, wie ein großer komischer Vogel, und das Spiegelbild des Mondes wurde größer und größer und schließlich so riesig, daß ich beinahe erwartete, Chang'o und der Weiße Hase würden die Köpfe herausstrecken und uns mit den Fäusten drohen. Wir verfehlten den Felsen um Haaresbreite. Der Mond schien zu lächeln, und das warme Wasser des Gelben Meeres nahm uns in die Arme wie lange vermißte Freunde.
     

16.
Kinderspiele
     
    Im Kloster herrschte Stille, und die Spannung war so groß, daß die warme Luft knisterte, als zuckten unsichtbare Blitze. Die Flüssigkeit in der Phiole hatte sich von Gelb in Schwarz verwandelt, und die Essenz war beinahe fertig.
    Li Kao nahm die Phiole aus dem kochenden Wasser, zog den Stopfen heraus, und als er und der Abt schließlich aus der Dampfwolke auftauchten, schienen sie beide neu geboren zu sein. Sie hatten rosige Wangen, ihre Augen glänzten, und der Ginsengduft war so stark, daß mein Herz wie rasend zu klopfen begann. Ich wußte, selbst die skeptischsten Ärzte räumten ein, daß Ginseng eine erstaunliche Wirkung auf den Blutkreislauf haben konnte. Ich beobachtete mit großen, hoffnungsvollen Augen, wie der Abt und Meister Li die Reihe der Betten abschritten. Drei Tropfen auf jede Zunge, und das dreimal. Die Eltern hielten den Atem an.
    Die Beine der Großen Wurzel der Macht hatten eine unglaubliche Wirkung. Die bleichen Gesichter der Kinder röteten sich, der Herzschlag wurde stärker, die Bettdecken hoben und senkten sich mit den tiefen,

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