Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel
Provinzgouverneur wies mit dem Finger auf uns und kreischte:
»Diebe! Keine Angst, Geliebte, ich habe mein treues Schwert bei mir!« Dann schnitt der Hund das Seil durch.
Uns blieb gerade genug Zeit, die Umgebung zu betrachten, während wir in den Hof hinunterstürzten. In einem anderen Teil des Palastes ging ein Bankett zu Ende, und die Gäste bestiegen ihre Kutschen und Tragesessel. Wir flogen auf einen Tragesessel zu und landeten auf dem gewaltigen Bauch eines unglaublich dicken Mannes. Ich prallte ab und fiel auf das Pflaster. Aber Li Kao war wesentlich leichter, und er hüpfte wie ein Ball auf dem Bauch auf und ab, während das Abendessen des Dicken wie eine Fontäne in die Luft schoß. Auf Taubeneiersuppe mit Lotuswurzeln, Klößchen und gehackten Pinienkernen folgten Entenzungen, gedünstet in Sesamöl mit Pilzen und Bambussprossen, dann erschienen die Enten selbst - mindestens drei -, die mit Krabben gefüllt und einem Teig aus Bohnenpaste geschmort worden waren, gefolgt von Riesenkrabben in süßem Weißwein gesotten, gefolgt von Lammnieren sautiert mit gemahlenen Walnüssen, gefolgt von Honigkuchen, gefolgt von kandierten Früchten, gefolgt von Konfekt, gefolgt von grünem Tee, gefolgt von Pflaumenwein, gefolgt von Narzissenverdauungstonikum, gefolgt von dem Sieben-Geister-Verdauungstonikum, gefolgt von Duften-dem-Feuer-Vitalitätstonikum, gefolgt von Schluckauf, gefolgt von ein paar Händen, die sich Li Kao um den Hals legten. »Was hast du mit meiner Kiste und den Kompassen gemacht?« schrie unser Stachelschweinkaufmann.
17.
Eine wundersame Wandlung
In gewisser Hinsicht hatten wir großes Glück. Der Herzog von Ch'in setzte seine Reise mit dem Schlüsselhasen fort. Lotuswolke sollte ihnen etwa eine Woche später nachfolgen. Und in seiner Abwesenheit fällte der Provinzgouverneur, der sich verständlicherweise darüber ärgerte, daß wir ihm den Zugang zum Bett von Lotuswolke erschwert hatten, ein sehr mildes Todesurteil. »Wählt selbst, wie ihr aus dieser Welt scheiden wollt!« schrie er. Man führte uns auf das Dach des größten Turms und vermauerte die Tür. Uns blieb die Wahl, entweder langsam zu verhungern oder uns hundert Fuß in die Tiefe auf die Pflastersteine zu stürzen. Ich setzte mich tief betrübt auf den Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. Wie lange würden die Kinder noch durchhalten? Zwei Monate? Drei Monate? Die Bonzen mit den scharfen Augen, die der Abt auf dem Dach des Klosters Wache halten ließ, würden vergeblich nach uns Ausschau halten, denn Meister Li und Nummer Zehn der Ochse würden nicht mit dem Rest der Großen Wurzel der Macht zurückkehren... Ich weinte, bis mir auffiel, daß von unten Geräusche heraufdrangen. Überrascht und mit neuer Hoffnung sah ich, daß die Soldaten die Tür wieder aufbrachen.
Doch die Hoffnung schwand schnell, als ich begriff, daß sie die Tür nur öffneten, um einen anderen Todeskandidaten auf das Dach zu schieben. Und als sie die Tür wieder zumauerten, entdeckte Meister Li ein Paar Schweinsäuglein, einen kahlen, fleckigen Schädel, eine wie ein Papageienschnabel gebogene Nase, die schlaffen, hängenden Lippen eines Kamels und zwei runzlige Elefantenohren, aus denen büschelweise grobe, graue Haare wuchsen.
»Möchtet Ihr vielleicht eine Ziege kaufen?« fragte er mit einer höflichen Verbeugung.
Zu unserem Erstaunen rannte Geizhals Shen auf uns zu und umarmte uns voll Freude.
»Welch ein Glück!« rief er, »ich fürchtete schon, ich würde nie Gelegenheit finden, meinen Wohltätern zu danken!«
»Wohltätern?« fragte ich. »Uns danken?« fragte Meister Li.
»Ihr habt mir das Leben gerettet!« rief Geizhals Shen, »ohne Euch hätte der Schlüsselhase nie herausgefunden, wie reich ich war. Und wenn er nicht herausgefunden hätte, wie reich ich war, hätte er mich nicht zum Tee eingeladen, und hätte er mich nicht zum Tee eingeladen, wäre ich immer noch der knickrigste und erbärmlichste Geizhals von ganz China. Lotuswolke«, sagte er stolz, »hat einen neuen Menschen aus mir gemacht.«
»Laßt mich raten«, sagte Li Kao, »sie hat Euch innerhalb einer Woche ruiniert.«
Geizhals Shen richtete sich stolz auf.
»Großer Buddha, nein! Ich war so reich, daß das liebe Mädchen beinahe einen Monat brauchte, um mich in tiefste Armut zu stürzen. Natürlich verdanke ich auch dem Glück sehr viel«, fügte er bescheiden hinzu. »Nachdem Lotuswolke meine zahllosen Kisten mit Gold verschwendet hatte, gelang es mir, meine acht
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