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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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mein Rückgrat sei gebrochen. Statt dessen war einer der Stützpfeiler geborsten, der Turm stürzte ein und fiel als Steinregen in den Graben.
    Die Lava war beinahe so fest wie die Steine, und sie sanken sehr langsam. Ich rannte zurück, riß Li Kao und Geizhals Shen hoch, stürmte zum Grabenrand und sprang. Meine Füße berührten den ersten Stein, und ich hüpfte zum zweiten. Meine Sandalen qualmten, und meine Lunge brannte vom brodelnden Schwefeldampf, während ich von Stein zu Stein sprang. Der letzte war beinahe in der Lava versunken. Mit einem Stoßgebet zum Himmlischen Jadekaiser machte ich einen gewaltigen Satz, meine Zehen berührten die glühende Oberfläche, ich sprang noch einmal. Vielleicht gab mir der Himmlische Jadekaiser einen Schubs, denn ich landete mit dem Gesicht im grünen Gras.
    Undeutlich nahm ich wahr, daß Meister Li und Geizhals Shen mir etwas in die Ohren schrien und mir auf den Rücken schlugen, doch die Welt drehte sich vor meinen Augen, und ich hatte das Gefühl, in einen bodenlosen Abgrund zu fallen. Dann umgab mich ein kühles friedliches Schwarz.
     
     

19.
Die Bambuslibelle
     
    Als ich die Augen aufschlug, lächelte Li Kao auf mich herab, und Geizhals Shen hielt mir einen Schluck mit köstlichem Quellwasser an die Lippen. Das Wasser belebte mich wie ein Zaubertrank. Bald konnte ich aufstehen und die kleine Oase in Augenschein nehmen. Aus allen Gegenden des Reiches hatte man Bäume und Sträucher hierher gebracht, und die Vielfalt war höchst verblüffend. Einst hatten Silberglöckchen in den Zweigen geläutet, Laternen hatten abends wie Glühwürmchen geleuchtet, und Verliebte waren durch das Labyrinth der Mond winden gewandert. Dann ereignete sich die schreckliche Katastrophe, und Die Hand, die Niemand Sieht tauchte auf. Ich fragte mich, welch schreckliches Verbrechen die Stadt begangen haben mußte, um ein solches Schicksal zu verdienen. Aber dann dachte ich, es sei besser, nichts darüber zu wissen. Ich drehte mich um und sah schauernd die Spuren der unsichtbaren Finger, die am anderen Ende der schmalen Brücke zornig im Salz scharrten. Die Hand wartete!
    Ein ausgetretener Pfad führte durch die wilden Blumen zum Bronzedach einer Pagode, das im Licht der untergehenden Sonne funkelte. Wir gingen darauf zu und entdeckten beim Näherkommen, daß die Pagode die Katastrophe überstanden hatte, weil sie aus Steinen erbaut war. Nur die Holztore waren verrottet. Die Sonne versank gerade am Horizont, doch der Mond stand bereits am Himmel. Seine blassen Strahlen fielen durch die Öffnung, in der früher einmal ein Tor gewesen war, und trafen etwas Funkelndes. Geizhals Shen rannen die Tränen über die Wangen, als er vor einem Schatz stand, der noch größer war als der Schatz im Schloß des Labyrinths.
    »Geheilt!« rief er glücklich, »ich war mir bis jetzt nicht sicher, aber wenn ich diese Reichtümer ansehe, juckt es mir nur der Perlen und der Jade wegen in den Fingern... und auch nur deshalb, weil ich sie gerne Lotuswolke schenken würde.«
    Li Kao und ich sahen uns an, und ich nickte. Wir hatten beide, ohne zu überlegen, auf dem Schatzberg nach einem Geisterschatten gesucht, und dort war er auch. Es gelang mir immer besser: Die Schattendecke senkte sich mühelos über meinen Kopf. Vor mir stand derselbe Geist! Nein, nicht derselbe, aber nach derselben alten Mode gekleidet und mit der gleichen blutigen Stelle, wo ein Messer das Herz durchbohrt hatte. Ich spürte, daß es auch diesen Geist ungeheure Anstrengung kostete, vor uns zu erscheinen. Wieder überflutete mich eine Welle der Qual, als die Lippen sich bewegten.
    »Habt Erbarmen mit einer treulosen Zofe«, flüsterte sie, »sind tausend Jahre nicht genug?« Geistertränen rollten ihr wie durchsichtige Perlen über die Wangen. »Ich schwöre, ich wußte nicht, was ich tat!« schluchzte sie. »Oh, habt Erbarmen und tauscht dies gegen die Feder aus. Die Vögel müssen fliegen.« Damit verschwand sie.
    Geizhals Shen hatte nichts gesehen, und er blickte verwundert auf unsere bestürzten Gesichter. Grimmig entschlossen, kletterte ich auf den Berg von Schätzen und glitt mit einem Jadekästchen in der Hand wieder hinunter, das aussah wie das andere. Ich riß den Deckel auf und stöhnte verzweifelt.
    In dem Kästchen lag nicht das Herz der Macht, unsere größte Hoffnung; es lagen darin wieder zwei winzige Würzelchen: die Arme der Großen Wurzel. Aber was konnten wir von den Armen erhoffen, wenn die Beine versagt hatten? Der

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