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Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel

Titel: Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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»Gib her!« krächzte er.
    Ich legte ihm die Schnur mit den Münzen in die Hand, und er schloß besitzergreifend die Finger darum. Dann öffneten sie sich wieder. »Nimm die fünftausend«, stieß er mühsam hervor, »komm so schnell wie möglich mit soviel Wein wie möglich zurück.«
    »Sofort, Ehrwürdiger Herr«, seufzte ich.
    Ich hatte für Onkel Wang unzählige Male ähnliche Aufträge ausgeführt und hielt es für klüger, auch etwas zu essen zu kaufen. Also kehrte ich mit zwei kleinen Krügen Wein, zwei kleinen Schalen gekochtem Reis und einer wertvollen Lektion in der Kaufkraft von Kupfermünzen zurück. Ich hielt dem alten Mann den Kopf hoch und flößte ihm Wein ein, bis er lebendig genug war, um den Krug zu packen und den Rest in einem Zug zu leeren. Lange Übung ermöglichte es mir, ihm eine Schale mit Reis in die Hand zu drücken und an seine Lippen zu führen, ehe er bemerkte, daß es sich nicht um Wein handelte. Als er gegessen hatte, erschienen zwei rote Flecken auf seinen Wangen, und nach dem zweiten Krug Wein machte er sich bereitwillig über die andere Schale mit Reis her. »Wer bist du?« fragte er rülpsend.
    »Ich heiße Lu, und mein Vorname ist Yu, aber ich bin nicht mit dem bedeutenden Verfasser von Das Buch vom Tee zu verwechseln. Alle nennen mich Nummer Zehn der Ochse«, erwiderte ich.
    »Ich heiße Li, und mein Vorname ist Kao, und ich habe einen kleinen Charakterfehler«, erklärte er sachlich. »Du hast ein Problem?«
    Ich erzählte ihm die ganze Geschichte und weinte am Ende. Er hörte mir aufmerksam zu und ließ mich alles noch einmal wiederholen.
    Dann warf er die leere Schale über die Schulter, und sie ging auf den Scherben des anderen Geschirrs zu Bruch. Als er von der Matratze aufsprang, stellte ich erstaunt fest, daß er so wendig war wie eine Ziege.
    »Nummer Zehn der Ochse also? Muskeln werden zwar sehr überschätzt, doch deine kommen uns vielleicht sehr gelegen«, sagte er. »Wir werden uns beeilen müssen, und aus den verschiedensten Gründen wird es vielleicht notwendig sein, daß du jemandem den Kopf abreißt.«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Meister Li, wollt Ihr damit sagen, Ihr kommt mit mir in mein Dorf, um herauszufinden, wie eine Seuche das Zählen lernen kann?« rief ich.
    »Ich weiß bereits, wie deine Seuche das Zählen gelernt hat«, erwiderte er ruhig. »Beug dich.«
    Ich war so verblüfft, daß ich mich nach hinten bog, bis er mir vorschlug, es doch in die andere Richtung zu versuchen. Meister Li hüpfte gewandt auf meinen Rücken, legte mir die Arme um den Hals und steckte seine winzigen Füße in die Tasche meines Kittels. Er war so leicht wie eine Feder.
    »Nummer Zehn der Ochse, ich bin nicht mehr so schnell zu Fuß wie früher, und habe das Gefühl, Zeit ist kostbar. Ich schlage vor, du kehrst in dein Dorf zurück und rennst, als sei der Teufel hinter dir her«, sagte der uralte weise Mann.
    In meinem Kopf drehte sich alles, doch mein Herz schlug wild vor Hoffnung, und ich sprang davon wie ein Hirsch. Li Kao duckte sich, als ich durch die Tür schoß, und etwas schlug gegen meinen Kopf. Beim Einbiegen in die Allee wurde ich etwas langsamer, warf einen Blick zurück und sah, daß ich mit dem Kopf gegen den unteren Rand des schäbigen Schildes gerannt war. Das halbgeschlossene Auge drehte sich im Kreis, als spähe es auf Geheimnisse in allen Winkeln des Reiches.
    Ich weiß nicht, ob es ein Omen war oder nicht, doch das Bild ließ mich auf dem ganzen Weg nach Ku-fu nicht mehr los.
    Tante Hua blickte den alten Weisen, den ich mit zurückbrachte, zunächst etwas schief an, aber das änderte sich bald. Der uralte Herr stank nach Wein, und seine Kleidung war so schmutzig wie sein Bart. Doch von ihm ging eine solche Autorität aus, daß sogar der Abt sich ohne Widerrede seinen Anweisungen fügte. Li Kao ging von Bett zu Bett, zog die Augenlider der Kinder zurück und knurrte zufrieden, als er sah, daß die Pupillen nicht starr und geweitet waren. »Gut!« brummte er. »Es geht nicht darum, einer Seuche das Zählen beizubringen, was ziemlich einfach ist, sondern herauszufinden, welches Mittel benutzt wurde. Ich hatte befürchtet, es könnten Gehirnschäden aufgetreten sein. Ich brauche Maulbeerblätter aus jedem Wäldchen mit genauer Herkunftsbezeichnung, damit wir wissen, woher sie stammen.«
    Wir beeilten uns, seine Forderung zu erfüllen, und bald wurde ein Korb mit Maulbeerblättern nach dem anderen den Hügel hinaufgetragen. Li Kao legte die Blätter in

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