Meister Li 01 - Die Brücke der Vögel
herunter:
Vor unserem Fenster Stehen die Bananenstauden, die wir pflanzten. Ihre grünen Schatten füllen den Hof. Ihre grünen Schatten füllen den Hof. Ihre Blätter entrollen und rollen sich als wollten Sie ihre Gefühle enthüllen.
Traurig liege ich auf meinem Kissen. Tief in der Nacht lausche ich dem Regen. Regentropfen auf den Blättern. Regentropfen auf den Blättern. Daß sie dieses Geräusch nie mehr hören wird Bricht mir das Herz.
Ich kam zu dem Schluß, daß die Meere aus Tränen entstanden sein mußten. Als ich an die Tränen dachte, die vergossen, und an die Herzen, die gebrochen worden waren, um die Habgier des Herzogs von Ch'in zu befriedigen, freute ich mich darüber, daß wir mit selbstmörderischer Entschlossenheit ihm auf den Fersen waren.
Wir erreichten den Herzog in Tsingtao, wo er sich im Palast einer sehr reichen Frau aufhielt, deren ältester Sohn dem Herzog als Provinzgouverneur diente. Li Kao bestach eines Nachts die Wachen, und wir schlichen uns in den Palast. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, als ich die Ranken packte und zu klettern begann. Doch dann , drehte sich der Wind, und ein unverkennbarer Duft stieg mir in die Nase. Ich bebte am ganzen Körper.
»Lotuswolke!« stöhnte ich, »Meister Li, das Herz würde mir brechen, wenn ich sie nicht sehe!«
Unter diesen Umständen konnte er wenig mehr tun, als zu fluchen und mir Kopfnüsse zu verpassen, während ich wie der Wind die Wand erkletterte. Ich hob den Kopf über den Fenstersims und sah, daß Lotuswolke allein war. Doch dann erlosch mein Freudenfeuer. »Was ist los?« flüsterte Meister Li.
»Ich habe vergessen, Perlen und Jade mitzubringen«, erwiderte ich unglücklich.
Li Kao wühlte seufzend in seinen Taschen. Zuerst fand er nur Diamanten und Smaragde, die Lotuswolke nicht im geringsten interessierten, doch schließlich brachte er eine Perle zum Vorschein, die er wegen ihrer seltenen Schönheit behalten hatte. Sie war pechschwarz und hatte eine kleine weiße Wolke in der Form eines Sterns. Eine Tonne davon wäre mir lieber gewesen. Doch das Symbol zählte. Ich beugte mich vor und ließ die Perle über den Fußboden vor die Füße meiner Geliebten rollen. Lotuswolke wird sie bald entdecken, dachte ich. Sie wird aufblicken, lachen und »Bupsie!« rufen... dann sind alle meine Sorgen verschwunden. Sie blickte auf. O ja, aber nicht in meine Richtung. »Keine Angst, mein Täubchen!« brüllte irgendein Kerl, »dein geliebter Pu-Pu kommt schon wieder mit hundert Pfund Perlen und Jade!«
Die Tür flog krachend auf, und der Provinzgouverneur stolperte mit einem Arm voll von dem Zeug herein und ließ es auf meine schwarze Perle fallen. Ich seufzte und begann traurig an den Ranken nach unten zu klettern.
»Pu-Pu?« fragte Meister Li, »Pu-Pu? Ochse, es geht mich ja vielleicht nichts an, aber ich muß dir dringend raten, dich nicht mit Frauen einzulassen, die ihre Liebhaber Bup-Si, Wu-Fi und Pu-Pu nennen!«
»Sie hat nun einmal gerne Schoßhündchen«, erklärte ich. »Das habe ich auch bemerkt«, erwiderte er, »dem Himmel sei Dank, daß sie euch nicht alle in einem Zwinger hält. Der Lärm beim Füttern wäre ohrenbetäubend. Wenn du keine Einwände hast, schlage ich vor, daß wir uns der Aufgabe zuwenden, den Herzog aus dem Weg zu räumen und die Ginsengwurzel zu besorgen.« Ich kletterte rasch zum Fenster des Herzogs und spähte vorsichtig über den Fenstersims. Der Herzog von Ch'in saß ganz allein auf einem Hocker vor einem Tisch. Das Kerzenlicht glänzte auf seiner großen goldenen Tigermaske, und die Federn seines Umhangs schimmerten wie Silber. Aber seine goldenen Kettenhandschuhe lagen auf dem Tisch. Und seine bloßen, überraschend kleinen Hände schoben die Kugeln eines Abakus hin und her, während er ausrechnete, wieviel seine Rundreise bis jetzt an Schätzen eingebracht hatte. Li Kaos Augen funkelten, als er die Hände des Herzogs betrachtete.
»Er lebt für Geld, also kann er auch für Geld sterben«, flüsterte er. Er griff in die Tasche und zog seinen wertvollsten Diamanten heraus. Der Mond schien sehr hell. Unter den Kletterpflanzen gab es auch wilde Rosen, denen ich wegen der Dornen ausweichen mußte. Li Kao entdeckte direkt unter dem Fenstersims einen Zweig mit besonders großen und spitzen Dornen. Li Kao legte den Diamanten zwischen die Dornen, drehte ihn hierhin und dorthin, bis er im Mondschein in blauweißem Funkeln aufstrahlte. Dann goß er das Elixier des Lebens über die Dornen.
Ich kroch rückwärts,
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